Die Principessa
abwenden und die Fassade vor der Zerstörung bewahren.«
»Du scheinheiliger Heuchler!« Lorenzo sprang auf, es hielt ihn nicht mehr auf seinem Platz. »Aber mir machst du nichts vor! Ich weiß, warum du all diesen Unsinn behauptest: Du willst die Türme selber bauen und dich zum Dombaumeister aufschwingen.«
Ohne eine Miene zu verziehen, erwiderte Francesco seinen wütenden Blick. »Sie irren sich«, sagte er kalt, »wie Sie sich schon so oft in dieser Sache geirrt haben, Cavaliere. Ich habe nicht die geringste Absicht, mich mit einem Entwurf am Wettbewerb zu beteiligen. Ich bin hier nur als Gutachter tätig, ohne eigenes Interesse, den Turm zu bauen.«
Es entstand eine Pause, in der keiner im Saal etwas sagte. DieKardinäle hoben unter ihren flachen, breiten Hüten die Brauen, die Gutachter am Tisch blickten betreten vor sich hin und schielten gleichzeitig zu den beiden Rivalen; Cipriano Artusini hüstelte in seine Hand, Andrea Bolgi kritzelte einen Putto auf ein Blatt Papier.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Innozenz mit schnarrender Stimme in die Stille hinein.
»Ich schlage vor«, seufzte Monsignore Spada, »wir vertagen das Urteil bis zur nächsten Sitzung.«
17
Der Winter war eine harte Prüfung für das römische Volk; je kürzer die Tage und dunkler die Nächte draußen auf den Straßen wurden, umso mehr wuchsen drinnen in den Häusern Elend und Not. Die Ernte des vergangenen Jahres war so schlecht ausgefallen, dass sich bereits im November die Kornkammern leerten, und da Innozenz sich mit Rücksicht auf die von Urbans Krieg und Bauwut strapazierte Staatskasse nicht imstande sah, die verhassten Steuern auf so notwendige Lebensmittel wie Mehl und Öl aufzuheben, wusste zu Weihnachten kaum eine Frau mehr in der Stadt, was sie ihrer Familie zu essen vorsetzen sollte. Wegen der Hungersnot fiel der Karneval im neuen Jahr so bescheiden aus wie selten. Papst Innozenz ordnete an, auf prunkvolle Aufzüge, Wagenrennen und Kavalkaden, sonst Höhepunkte des öffentlichen Vergnügens, ganz zu verzichten und die Feiern auf solche Belustigungen zu beschränken, die wenig oder gar kein Geld kosteten. So begann der erste Montag im Karneval 1646 wie üblich mit der öffentlichen Hinrichtung verurteilter Missetäter, auch wurden wie in jedem Jahr Krüppel, Greise und Juden zum Ergötzen der Römer nackt über den Corso getrieben, ein Wettrennen, das sich noch größerer Beliebtheit erfreute alsdas der Reiter und Pferde. Die prachtvollen Theateraufführungen jedoch, die in früheren Jahren noch mehr Schaulustige als das Krüppel- und Judentreiben angezogen hatten, waren diesmal verboten – nur in einem Hause nicht: im Palazzo Pamphili, dem Hause Donna Olimpias.
Dort gelangte am Karnevalsdienstag ein Schauspiel zur Aufführung, das Cavaliere Bernini eigens zu diesem Anlass ersonnen und für die Bühne eingerichtet hatte. Den Gästen liefen die Augen über. Die Bühne, die im großen Festsaal aufgeschlagen war, bildete scheinbar die Mitte von zwei Theatern: dem wirklichen, auf dem die Schauspieler agierten, und einem gemalten daneben, das durch die geöffneten Fenster die illuminierte Piazza Navona in das Geschehen mit einbezog, sodass Illusion und Realität kaum zu unterscheiden waren. Die Handlung der Komödie, »Fontana di Trevi« mit Namen, war so verschlungen, dass die meisten Zuschauer nach wenigen Minuten den Faden verloren, doch jeder amüsierte sich über die geistreichen Dialoge und mehr noch über die phantastischen Effekte, mit denen Bernini die Sinne verblüffte: Die Wasserfluten, die in Kaskaden von den Brunnen stürzten, wirkten so natürlich und echt, dass man unwillkürlich die Füße hob. Blitze zuckten über den Marktplatz, der mit dutzenden von Wagen und Buden auf der Bühne aufgebaut war, und das bedrohliche Donnergrollen war noch nicht verklungen, da spie Feuer vom Himmel, und zum Entsetzen des Publikums ging der ganze Marktplatz lichterloh in Flammen auf – um sich im nächsten Augenblick, begleitet von erleichterten Ahs und Ohs, in einen lieblichen Garten zu verwandeln, wo im hellen Sonnenschein ein Brunnen friedvoll vor sich hinplätscherte.
Nur ein Gast fand an dem Spektakel keine Freude: Clarissa McKinney, die Cousine der Hausherrin. Während die Bilder an ihren Augen vorüberzogen, kehrten ihre Gedanken immer wieder zu einer Frage zurück: Wie konnte Signor Borromini nur für den Abriss des Turms plädieren? Hatte sie nicht alles getan, um ihn umzustimmen?
Sie versuchte sich auf das
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