Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
tödlichen Finger an meiner Schultern.
Ganelon lachte und zog sich einen Stuhl herbei, den er auf der anderen Seite der Truhe aufstellte. Mein Zorn, daß er ein Thema angeschnitten hatte, das ich unter keinen Umständen hatte besprechen wollen, verrauchte beim Betrachten der Auswirkungen; ich konnte mich nicht erinnern, Benedict je bei besserer Laune gesehen zu haben. Ganelon freute sich offenbar, unsere Differenzen beigelegt zu haben.
Ich lächelte meinerseits und nahm Platz, wobei ich den Schwertgürtel öffnete und Grayswandir am Zeltmast aufhängte. Ganelon holte drei Gläser und eine Flasche Wein. Während er die Gläser vollschenkte, bemerkte er: »Um die Gastfreundschaft deines Zeltes zu erwidern, damals spät-nachts in Avalon.«
Benedict nahm sein Glas zur Hand; es war kaum ein Klicken zu hören.
»Aber die Stimmung in diesem Zelt ist entspannter«, sagte er. »Nicht wahr, Corwin?«
Ich nickte und hob meinen Wein.
»Auf diese Entspannung. Möge sie ewig anhalten.«
»Zum erstenmal seit langer Zeit habe ich ausführlich mit Random sprechen können«, sagte Benedict. »Er hat sich ziemlich verändert.«
»Ja«, sagte ich.
»Ich bin jetzt eher geneigt, ihm zu trauen. Wir hatten Zeit für unser Gespräch, nachdem wir die Tecys verlassen hatten.«
»Wohin wart ihr unterwegs?«
»Martin hatte gegenüber seinen Gastgebern einige Bemerkungen fallen lassen, die darauf hindeuteten, daß er zu einem Ort tiefer in den Schatten unterwegs war, den ich kannte – die Blockstadt Heerat. Wir reisten dorthin und stießen in der Tat auf seine Spur.«
»Ich kenne Heerat nicht«, warf ich ein.
»Eine Stadt aus Adobe und Stein – ein Zentrum an der Kreuzung mehrerer Handelsstraßen. Random erhielt dort Nachrichten, die ihn nach Osten und vermutlich noch tiefer in die Schatten geführt haben. Wir trennten uns in Heerat, denn ich wollte nicht zu lange von Amber fort sein. Außerdem gab es da eine persönliche Angelegenheit, die ich weiterverfolgen mußte. Er hatte mir erzählt, er habe gesehen, wie Dara am Tag des großen Kampfes das Muster beschritt.«
»Das ist richtig«, sagte ich. »Sie hat es getan. Ich war auch dabei.«
Er nickte.
»Wie ich schon sagte, Random hatte mich beeindruckt. Ich war geneigt zu glauben, er habe die Wahrheit gesagt. Wenn das so war, bestand die Möglichkeit, daß du ebenfalls nicht gelogen hattest. Hiervon ausgehend, mußte ich den Behauptungen des Mädchens nachgehen. Da du nicht hier warst, habe ich Ganelon aufgesucht – vor mehreren Tagen schon – und mir von ihm alles erzählen lassen, was er über Dara weiß.«
Ich blickte Ganelon an, der leicht den Kopf neigte.
»Jetzt glaubst du also eine neue Verwandte entdeckt zu haben«, sagte ich. »Eine Lügnerin, gewiß, und möglicherweise ein Gegner – aber trotzdem eine Verwandte. Was hast du als nächstes vor?«
Er trank einen Schluck Wein.
»Ich würde ja gern glauben, daß sie mit mir verwandt ist«, sagte er. »Der Gedanke gefällt mir irgendwie. Mir geht es also darum, diesen Tatbestand zu bestätigen oder eben den Beweis für das Gegenteil zu finden. Wenn es sich erweist, daß wir wirklich verwandt sind, möchte ich gern die Motive ihres Tuns kennenlernen. Und ich möchte erfahren, warum sie sich mir nie direkt offenbart hat.« Er setzte das Glas ab, hob die künstliche Hand und bewegte die Finger. »Zunächst möchte ich aber von deinen Erlebnissen in Tirna Nog´th hören, soweit sie mich und Dara betreffen. Außerdem erfüllt mich brennende Neugier wegen dieser Hand, die mir das Gefühl verleiht, als sei sie für mich gemacht. Es ist meines Wissens zum erstenmal geschehen, daß jemand aus der Stadt am Himmel ein greifbares Objekt mitgebracht hat.« Er ballte die Faust, öffnete sie wieder, drehte das Handgelenk, streckte den Arm aus, hob ihn, legte ihn sanft auf das Knie. »Random hat mir das Ding gut anoperiert, meinst du nicht auch?« schloß er.
»O ja«, sagte ich.
»Erzählst du mir deine Geschichte?«
Ich nickte und trank aus meinem Weinglas.
»Es geschah im Palast des Himmels«, sagte ich. »Der Ort war voller tintenschwarzer, zuckender Schatten. Ich verspürte den Drang, den Thronsaal aufzusuchen. Das tat ich auch, und als die Schatten zur Seite wichen, sah ich dich rechts vom Thron stehen und diesen Arm tragen. Als sich das Bild weiter aufhellte, erblickte ich Dara auf dem Thron. Ich trat vor und berührte sie mit Grayswandir, was mich für sie sichtbar machte. Sie erklärte, ich sei doch schon seit
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