Die Prinzen Von Irland
Tage warten«, sagte sie ruhig. »Wir haben doch darüber gesprochen.«
»Ach ja, richtig.«
Sein Vater machte ein leicht enttäuschtes Gesicht, doch dann meinte er lächelnd
zu ihr: »Du hast natürlich Recht.« Und darauf zu Harold: »Du hast ja gerade
erst von der Sache gehört, mein Sohn. Das alles ist noch ganz neu für dich.
Lass dir die Sache erst ein paar Tage durch den Kopf gehen. Es gibt keinen
Grund zur Eile. Die Zeit solltest du dir nehmen, schon um deiner selbst
willen.«
»Und auch um Helga
willen«, ermahnte seine Frau ihn sanft.
»Ja, natürlich. Auch
ihretwegen.« Und nun erhob sich sein Vater tatsächlich und legte seinen Arm um
ihn, und Harold spürte die mächtige Wärme seiner liebevollen Nähe. »Gut
gemacht, mein Sohn«, brummte er. »Ich bin ja so stolz auf dich.«
Und so müsste schon
viel passieren, dachte Harold bei sich, damit er nicht schon diesen Winter
verheiratet sein würde.
*
* *
Zwei
Tage später war es passiert. Gerade hatte er seinen Vater draußen auf dem Feld
verlassen und kehrte etwas früher als erwartet zurück. Vor einer Weile hatte er
seine Schwestern in der großen Holzscheune verschwinden sehen. Außer einer
Sklavin, die neben dem Schuppen einen Korb flocht, war niemand in der Nähe, als
er sich dem Eingang des hohen, strohbedeckten Hauses näherte. Und er wollte
soeben unter dem Türbalken in den dämmrigen Raum hineinschlüpfen, als er die
Stimme seiner Mutter vernahm.
»Aber bist du auch
sicher, Helga, dass du glücklich sein wirst?«
»Ja, ja. Ich finde
diesen Hof toll.«
»Ich bin wirklich
froh, dass er dir gefällt, Helga. Aber vielleicht genügt es nicht, dass dir
dieser Hof gefällt. Gefällt dir denn auch mein Sohn?«
»Ja, ja. Ich finde
ihn toll.«
»Er ist mein einziger
Sohn, Helga. Ich möchte, dass er glücklich ist.«
»Ja, ja. Ich mach ihn
schon glücklich.«
»Aber was macht dich
so sicher, Helga? In der Ehe geht es um viele Dinge. Da geht es um
Kameradschaft. Um Liebe…«
Lag vielleicht ein
Anflug von Ungeduld, eine Härte, etwas, was er bisher noch nicht herausgehört
hatte, in der Stimme des Mädchens, als es antwortete?
»Es war doch Euer
Mann, der zu meinem Onkel kam, ja? Und was passiert, als er hört, dass mein
Onkel eine Nichte hat, die er aus dem Haus haben will, um mehr Platz zu
schaffen für die vier Töchter, die er selber hat? Da gibt er meinem Onkel Geld,
damit er mich hierherbringt. Weil er seinen Sohn verheiraten will, der ein
Krüppel ist? Das stimmt doch, ja?«
»Das mag schon sein,
aber…«
»Und ich bin
gekommen, und ich mach’ alles, was Ihr wollt, und dann sagt Euer Mann vor drei
Tagen zu mir: ›Willst du ihn heiraten?‹, und ich sag ›Ja, ja‹. Weil er Enkel
haben will von seinem einzigen Sohn und Angst hat, dass keine seinen
Krüppelsohn heiraten will.«
Dann entstand eine
Pause. Er erwartete, dass seine Mutter all dies heftig abstreiten würde, aber
sie tat es nicht.
»Findest du meinen
Sohn…?«
»Seine Beine?« Es
war, als könnte er hören, wie sie mit den Achseln zuckte. »Ich hab zwar
gedacht, ich würde mal einen Jungen mit zwei geraden Beinen heiraten. Aber er
ist kräftig.«
»Wenn zwei Menschen
heiraten« – nun klang die Stimme seiner Mutter besorgt, beinahe flehend –,
»dann muss Wahrheit zwischen ihnen herrschen.«
»Ja? Ihr und Euer
Mann, ihr sagt nichts. Mein Onkel sagt nichts. Aber ich hör meinen Onkel zu
meiner Tante sagen, Euer Mann hat Angst, dass eines Tages jemand kommt und
Euren Sohn umbringt, bevor er euch Enkelkinder schenkt, und dass das der Grund
ist, warum Euer Mann mich meinem Onkel möglichst rasch abkaufen will. Ist das
wahr? Wir sprechen doch gerade von der Wahrheit, ja?«
»Mein Sohn versteht
sich zu verteidigen.«
Harald wandte sich
von der Haustür ab. Er hatte genug gehört.
Schon am nächsten Tag
war er nach Dyflin gegangen. Dank seiner Arbeiten rings um den Bauernhof war er
ein leidlich guter Zimmermann. Es war ihm gelungen, in der Bootswerft eine
Anstellung zu bekommen. Und am späten Nachmittag hatte er eine vorläufige
Unterkunft im Haus eines Goldschmieds gefunden. Als er noch am gleichen Abend
auf den Hof zurückgekehrt war, hatte er seinen sprachlosen Eltern erklärt: »Ich
verlasse euch.«
»Aber was ist mit dem
Mädchen? Deiner Heirat?«, hatte sein Vater gefragt.
»Ich hab’s mir anders
überlegt. Ich will sie nicht.«
»Im Namen aller
Götter, warum denn nicht?«, brüllte Olaf.
Konnte er seinem
Vater denn sagen, dass er die Wahrheit kannte,
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