Die Prinzen Von Irland
töten, wenn du eine Familie hast, die dann um dich
trauert. Kinder, denen man dann sagen muss, dass ihr Vater besiegt und getötet
wurde. Vielleicht werden wir sie, wenn’s an der Zeit ist, dann gleich auch noch
umbringen.« Er nickte nachdenklich und fragte dann in einem etwas fröhlicheren
Ton: »Meinst du nicht, dass des vielleicht doch noch eine Chance gibt, dass du
heiratest?«
Harold trug ein
Messer an seinem Gürtel. Er riss es heraus, ließ es geschickt von einer Hand
zur ändern springen und befahl Morann, zur Seite zu treten.
»Nein, Sigurd«,
zischte er, »ich töte dich jetzt gleich.«
»Oh.« Der
Dunkelhaarige richtete sich hoch auf, aber anstatt sich ihm entgegenzuwerfen,
machte er einen Sprung zur Seite. »Trotzdem wär’s mir lieber, dass du Zeit
hast, dir die Sache noch mal zu überlegen. Wie wär’s an deinem Hochzeitstag?«
Dann machte er einen
Satz zurück und stand direkt neben den Frachtkörben. Da er sich nicht ein
einziges Mal umblickte, schloss Morann, dass er bereits genau wusste, wohin er
sich begeben würde. Und tatsächlich rief er im nächsten Augenblick: »Für heute
sag ich dir Lebewohl«, verschwand blitzschnell hinter den Körben am Rand des
Quais und landete mit einem Sprung in einem kleinen Boot.
»Los, rudert, Leute«,
rief er den beiden Männern zu, die sich bereits in dem Boot befanden; und
während Harold und Morann vom Quairand aus zusahen, schoss das Boot in raschen
Stößen auf die Flussmitte zu. Aus der Kehle des schwarzhaarigen Kerls hallte
verächtliches Lachen herüber, und als sich die schwarze Silhouette bereits
flussabwärts entfernte, ertönte noch einmal seine Stimme über dem blutroten
Wasser, und er rief: »Ich werde versuchen, zu deiner Hochzeit zu kommen.«
Sprachlos standen die
beiden Männer noch eine Weile da.
»Was hatte das zu
bedeuten?«
»Eine alte
Familienangelegenheit.«
»Hat er ernsthaft
vor, dich umzubringen?«
»Vermutlich. Aber ich werde
ihn töten.« Harold wandte sich um. »Gehen wir jetzt trotzdem noch zu dir zum
Abendessen?«
»Ja.
Selbstverständlich gehen wir.« Morann zwang sich zu einem Lächeln.
Aber während sie in
den länger werdenden Schatten die Fish Shambles hinaufgingen, fragte er sich, wie er
die Sache seiner Frau beibringen sollte. Und wie erst dem Mädchen? Wenn der
schwarzhaarige Schurke zur Hochzeit erscheint, dachte er, dann sollte lieber
ich ihn töten.
*
* *
Am
Morgen darauf erhielt Osgar Besuch von Caoilinns Vater. Es sollte wie eine rein
zufällige Begegnung aussehen, aber Osgar hatte den Verdacht, dass der
Handwerker schon eine geraume Weile an der Klostermauer gewartet hatte, bevor
er zufällig daherspaziert kam. Als er so vor dem recht kleinen, untersetzten,
aber vornehm wirkenden Mann mit der beginnenden Glatze stand, meinte Osgar eine
Spur von Verlegenheit in seinem Gebaren zu bemerken.
Sie tauschten ein
paar jener scherzhaften Floskeln aus, die der Erörterung eines wichtigen Themas
wohl immer vorausgehen müssen.
»Wir werden bald
daran denken müssen, für Caoilinn einen Mann zu finden.«
Damit war die Sache
ausgesprochen. Osgar starrte den älteren Mann an und fragte sich, was er darauf
erwidern sollte.
»Sie wird eine gute
Mitgift erhalten«, fuhr sein Verwandter fort. Seit über zweihundert Jahren war
kein Vater auf der Insel mehr in der Lage, den alten Brautpreis aufzubringen.
Nun mussten die Väter für ihre Töchter Mitgiften finden, was oftmals eine
schwere Belastung war – obwohl ein Schwiegersohn von bedeutendem Rang auch
einen großen Gewinn darstellen konnte.
Osgar war gewiss eine
gute Partie. Daran bestand kein Zweifel. Mit seinen zwanzig Jahren war er ein
auffallend gut aussehender junger Mann von athletischer Statur. Er hatte eine
gewisse natürliche Eleganz, und er beeindruckte die Menschen gerade mit seiner
Zurückhaltung, ja seiner Würde. Viele sahen in ihm schon das künftige Oberhaupt
der Ui Fergusa. Nicht nur in der Familie, sondern auch bei den Mönchen im
Kloster war er inzwischen eine geachtete Persönlichkeit.
Osgar liebte das
kleine Familienkloster sehr. Er war fast genauso stolz darauf wie sein Onkel.
»Lasst uns nie vergessen«, pflegte sein Onkel zu sagen, »dass Sankt Patrick höchstpersönlich
hierher gekommen ist.«
Es war erstaunlich,
zu welchen Dimensionen sich die Legende von Sankt Patrick im Laufe der
vergangenen Jahrhunderte entwickelt hatte. Armagh, die Diözese im Norden, die
sein Hauptquartier gewesen war, wollte als das älteste und bedeutendste
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