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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Bistum
anerkannt werden. Entsprechend bearbeitete man die Chroniken und Dokumente.
Frühere Bischöfe und ihre Gemeinden wurden einfach aus der Geschichte
gestrichen; Bischöfe, die lediglich Patricks Zeitgenossen waren, wurden als seine
Schüler dargestellt; und so hieß es nun, die Mission aus dem Norden habe sich
über das ganze Land erstreckt. Sogar von den Schlangen, die es nie dort gegeben
hatte, wurde plötzlich behauptet, der große Heilige habe sie von der Insel
verbannt. In Dubh Linn hatte man eine der drei alten Quellen nach ihm benannt
und an der betreffenden Stelle eine Kapelle errichtet.
    »Und lasst uns ebenso
wenig vergessen«, pflegte Osgars Onkel sie zu erinnern, »dass unser aller Ahne
Fergus von Sankt Patrick persönlich die Taufe empfing.«
    »Aber da war er doch
schon tot«, hatte sein ältester Sohn bei einer Gelegenheit taktlos bemerkt.
    »Auferstanden von den
Toten«, hatte der Abt mit donnernder Stimme entgegnet. »Umso größer das Wunder!
Und erinnert euch auch stets daran«, pflegte er sie zu mahnen, »dass es keine
besseren Christen und Gelehrten als die auf dieser Insel gegeben hat. Denn wir
waren es, die die Flamme des Glaubens am Leben erhielten, als der Rest der
Christenheit noch in der Finsternis umherirrte, wir waren es, die die
heidnischen Sachsen von England bekehrten.«
    Aber diese Vorträge
zeigten bei seinen Söhnen kaum Wirkung. Die Knaben des Onkels interessierten
sich herzlich wenig für das Familienkloster. Ständig fanden sie Ausreden, um
Unterrichtsstunden zu schwänzen. Und während es für Osgar ein Hochgenuss war,
alle hundertfünfzig Psalmen auf Lateinisch auswendig zu lernen – eine Leistung,
die jeder Novize, der des Schreibens und Lesens unkundig war, vollbringen
musste –, waren sie zu nichts anderem fähig, als die jeweiligen Worte mit den
Lippen nachzuformen, wenn sie sich den Gebeten der Mönche anschlossen.
    Osgars Mutter war
gestorben, als er zwölf Jahre alt war, und daraufhin hatte er begonnen, bei
seinem Onkel in dem kleinen Kloster zu leben. Es war Osgar gewesen, der die
Mönche dazu gebracht hatte, das Innere der Klosterkapelle neu auszuschmücken;
es war Osgar, der einige Geschäftsleute von Dyflin dazu überredet hatte, ein
neues Kreuz für den Altar zu stiften. Auch schien immer er genau zu wissen,
welche Einkünfte von den Pächtern des Klosters fällig waren, wer das Vieh
verkaufte oder die Dinge lieferte, die sie benötigten; es war Osgar, der
wusste, wie viele Kerzen sie noch in Vorrat hatten und welche Psalmen an
welchem Tag gesungen werden mussten. Sogar sein Onkel wurde insgeheim leicht
nervös, wenn er in Osgars Gegenwart etwas vergaß. Und ein Jahr zuvor hatte sein
Onkel ihn einmal beiseite genommen und zu ihm gesagt: »Ich glaube, du bist
derjenige, der eines Tages meine Stelle im Kloster übernehmen sollte, Osgar…
Und du könntest trotzdem heiraten, verstehst du.«
    Er könnte nicht nur
heiraten, sondern mit einer Stellung in Aussicht, die so viel Achtung genoss,
würde er auch noch eine höchst attraktive Partie für die Tochter seines
Verwandten in Dyflin sein.
    Er könnte Caoilinn
heiraten! Was für ein wundervolles Gefühl. Tagelang war er über diese Aussicht
so glücklich gewesen, dass er das Gefühl hatte, als sei ganz Dyflin mitsamt
seiner Bucht in ein göttliches und goldenes Licht getaucht.
    Caoilinn und er waren
zusammen aufgewachsen. Wenn er in Dyflin weilte, war es ganz natürlich, dass er
dem Haus ihres Vaters einen Besuch abstattete. Sie gehörte zur Familie. Das
lebhafte Mädchen, das er als Kind gekannt hatte, war nie restlos verschwunden.
Wenn sie miteinander einen Spaziergang machten, konnte sie plötzlich auf die
Wolken zeigen und darin die verrücktesten Formen erkennen. Einmal, als sie auf
dem südlichen Landvorsprung der Bucht standen, hatte sie felsenfest behauptet,
sie habe gerade draußen in den Wogen den alten Meeresgott Manannan Mac Lir
gesehen; und einen halben Nachmittag lang hatte sie immer wieder »Da ist er!«
geschrien. In seiner Unaufmerksamkeit ertappt, hatte er mehrmals
hinausgeblickt, während sie sich den Bauch hielt vor Lachen.
    Aber einmal war sie
zu weit gegangen. Sie machten gerade einen Spaziergang am Nordstrand der
Flussmündung und waren weit hinaus bis zu den Sandbänken gewandert, die sich
bei Ebbe viele hundert Meter in die Bucht hinaus dehnten. Als allmählich die
Flut aufzukommen begann, hatte er gesagt, sie müssten nun umkehren. Sie aber
weigerte sich einfach. Er verlor die Geduld

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