Die Prinzen Von Irland
um unkonventionelle Schläge auszuteilen,
die kein Gegner erwarten würde. Mit sechzehn war er ein perfekter Kämpfer.
»Kurioserweise«,
bemerkte sein Vater einmal, »hat dir dieser Däne, indem er drohte, dich eines
Tages umzubringen, vielleicht sogar einen Gefallen getan. Erinnere dich, was du
damals warst, und sieh dir an, was heute aus dir geworden ist.«
Harold sagte nichts,
denn er wusste, dass er zwar großes Geschick entwickelt hatte, aber nach wie
vor ein Krüppel war.
»Sieh dir nur diese
herrlich feinen Linien an«, rief Harold Morann zu, als der Kunstschmied über
die Leiter heraufgeklettert kam. Die langen geklinkerten Rumpflinien des
Schiffs schossen gleichmäßig und mit großem Schwung zu dem mächtigen, weit in
die Höhe gezogenen Bug vor. Man ahnte schon, wie pfeilschnell dieses Boot über
das Wasser dahinsausen würde. »Der Raum für die Ladung« – Harold zeigte auf die
leere Mitte des riesigen Seefahrzeugs – »ist fast ein Drittel breiter als alles
andere, was derzeit die Meere kreuzt.« Dann zeigte er auf den Boden des Schiffs
hinab, wo das riesige Rückgrat des Kiels wie eine Schwertklinge entlanglief.
»Und doch ist der Tiefgang immer noch flach genug für die wichtigsten Flüsse
der Insel.« »Aber weißt du auch, was das wahre Geheimnis von einem Langschiff
wie diesem ist, Morann? Das Geheimnis seiner Wendigkeit, wenn es unter Segel
auf hoher See manövriert?«
Sie waren stabil und
seetüchtig. Sie kenterten nie. So viel wusste der Goldschmied. Aber der
Norweger fuhr mit einem Grinsen fort: »Ich will es dir verraten: Der Rumpf ist
elastisch, Morann.« Er machte eine schlängelnde Armbewegung. »Genauso wie du
die Kraft des Winds gegen das Segel drücken und den Mast entlang nach unten
laufen und die Kraft des Wassers gegen die Bordwände drücken fühlst, so kannst
du auch noch etwas anderes fühlen. Der Kiel selbst biegt sich, er passt sich an
die Form der Wellen an. Das ganze Schiff wird, wenn es vor dem Wind segelt,
eins mit dem Wasser. Es ist kein Schiff, Morann, es ist eine Schlange.« Er
lachte vor Begeisterung. »Eine riesige Seeschlange!«
Wie schmuck er
aussieht mit dem langen roten Haar, ganz wie sein Vater, dachte der
Kunstschmied bei sich, und mit seinen strahlend blauen Augen, so glücklich in
seinem Langschiff. Einmal hatte Freya ihn gefragt: »Hast du dich eigentlich nie
gewundert, warum Harold den Bauernhof verlassen hat und nach Dyflin gekommen
ist, um sich Arbeit zu suchen?«
»Er liebt eben den
Schiffsbau«, hatte er geantwortet. »Der steckt ihm im Blut.«
Und wenn mehr
dahinter steckte, als Morann Mac Goibnenn vermutete, so hatte er aus dem Mund
seines jungen Freundes nie etwas davon erfahren.
Flarold war in jenem
Sommer, als sie ihm das Mädchen vorstellten, fast siebzehn gewesen. Sie kam von
jenseits des Meeres, von einer der Inseln im Norden – ein Mädchen mit guten
Vorfahren, hatten sie ihm erklärt, deren Eltern gestorben seien und das sie der
Fürsorge ihres Onkels hinterlassen hätten. »Er ist ein feiner Mann«, hatte sein
Vater ihm erzählt, »und er hat sie zu mir geschickt. Sie wird einen Monat lang
unser Gast sein, und du wirst dich um sie kümmern. Sie heißt Helga.«
Sie war ein blondes,
schlankes Mädchen mit blauen Augen, ein Jahr älter als er. Ihr Vater war
Norweger, die Mutter Schwedin gewesen. Ihr gelbes Haar umrahmte ihre Wangen,
drückte sie zusammen wie zwei Hände, die ihr Gesicht in ihre Mitte nahmen,
bevor ihre Lippen geküsst wurden. Sie lächelte nicht oft, und ihre Augen hatten
einen leicht entrückten Blick, als sei sie mit der Hälfte ihrer Gedanken
woanders. Und doch schwebte ein Hauch von Sinnlichkeit um ihren Mund, den
Harold leicht rätselhaft und erregend fand.
Im Umkreis des Hauses
wirkte sie ruhig und zufrieden. Zwei von Harolds Schwestern waren verheiratet
und inzwischen nicht mehr da, aber seine noch verbliebenen Schwestern kamen
recht gut mit ihr aus. Niemand hatte Gründe, sich zu beklagen. Abgesehen davon,
dass er sich an jeder Kurzweil beteiligen musste, die die Mädchen an den
Abenden für sich ersannen, bestanden seine eigenen Pflichten darin, sie hin und
wieder zu einem Ausritt mitzunehmen. Einmal hatte er ihr die verschiedenen
Viertel von Dyflin gezeigt. Häufiger ritten sie jedoch hinaus aufs Land oder
machten Wanderungen an der sandigen Küste. Bei diesen Gelegenheiten erzählte
sie ihm in ihrer seltsam entrückten und doch unbeschwerten Art vom Treiben auf
dem Hof, von dem Käse, den sie dort zu
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