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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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seit ihrer Trennung vergessen
hatte. Sie hatte völlig vergessen, dass er so ungemein attraktiv aussah. In dem
Augenblick, als er durch das Tor geritten kam, sie sich umgedreht und ihn
erblickt hatte, war sie fast wie vom Schlag getroffen gewesen. Das prächtige
Pferd mit seinem glänzenden Zaumzeug; Harolds kraftvolle, athletische, fast
noch knabenhafte Gestalt; sein roter Bart und seine Augen, diese leuchtend
blauen Augen: Einen Moment lang, während sie ihr Kleid glatt strich, um seine
Aufmerksamkeit abzulenken, hatte sie geglaubt, ihr bliebe der Atem stehen; sie
hatte ein aufkommendes Erröten niedergekämpft und ihn mit zorniger Kälte
angestarrt, damit er nicht bemerkte, dass ihr Herz höher schlug, viel höher,
als sie es wünschte. Und diese Gefühle, die wie kleine Wogen immer wieder neu
aufstiegen und zusammenbrachen, konnte sie auch die ganze Zeit, während er
dahinredete, nicht vollkommen unterdrücken.
    »Letztes
Jahr wurde darüber geredet«, sagte Harold gelassen, »wir beide würden
heiraten.«
    Caoilinn
blickte zu Boden und sagte nichts.
    »Die
Zeit vergeht«, sagte er, »die Wege trennen sich.« Er hielt gerade so lange
inne, um seine Andeutung wirken zu lassen. »Aber ich dachte, ich schau mal
wieder vorbei.« Er schmunzelte bezaubernd. »Ich möchte Euch nicht durch bloße
Achtlosigkeit verlieren.«
    »Es
hat Schwierigkeiten gegeben«, gelang es ihr schließlich zu sagen. Aber sie
entschuldigte sich nicht.
    »Vielleicht
lassen sie sich überwinden«, meinte er.
    »Es
waren aber mehrere.« Um ein Haar hätte sie die Frage der Religion aufgebracht,
aber dann besann sie sich eines Besseren.
    »Das
müsst Ihr entscheiden, Caoilinn.« Er sah ihr streng in die Augen. »Mein Angebot
gilt noch immer. Ich mache dieses Angebot mit Freuden. Aber wie immer Eure
Entscheidung ausfällt, ich möchte Euch bitten, sie mir bis Ostern mitzuteilen.«
    »Versteh
ich Euch recht«, fragte sie mit einem Hauch von Entrüstung, »dass das Angebot
nach Ostern nicht mehr gilt?«
    »Ja,
dann gilt es nicht mehr«, antwortete er, machte kehrt und ritt davon, bevor sie
noch ein weiteres Wort sagen konnte.
    »Großer
Gott«, stammelte sie, während er ihren Blicken entschwand, »was für ein
unverschämter Kerl.«
    * * *
    Morann war kaum
überrascht, als am 10. April immer noch keine Nachricht von Caoilinn
eingetroffen war.
    »Wenn
sie überhaupt kommt«, sagte Harold zu ihm, »dann wird sie bis zum letzten
Augenblick warten.« Er grinste. »Und selbst dann kannst du sicher
sein, dass sie mir Bedingungen stellen wird.«
    »Sie
wird überhaupt nicht kommen«, entgegnete Morann, aber nur, weil er nicht
wollte, dass sein Freund am Ende enttäuscht war.
    Nur
wenige Tage später traf ein Langschiff mit der Nachricht im Hafen ein, dass die
Flotten aus dem Norden nun ausgelaufen waren und schon bald hier sein würden.
Und zwei Tage später meldete ein Reiter, der aus dem Süden kam: »Brian Boru
rückt an.«
    Als
Morann am nächsten Tag mit seiner Familie auf Harolds Hof erschien, war er
unerbittlich. Der Norweger wollte jedoch bleiben und seinen Hof schützen, wie
er es bereits zuvor getan hatte.
    Aber
diesmal, warnte Morann ihn, würde jede Art von Gesindel – Plünderer, Piraten –
mit den Langschiffen der Wikinger landen. »Nichts kann deinen Hof schützen,
falls die kommen.« Er selbst hatte vor, sich wieder dem O’Neill–König
anzuschließen, wie er es zuvor getan hatte. »Und du und deine Söhne, ihr müsst
unbedingt mit mir kommen.«
    »Und
was ist, wenn Caoilinn doch noch kommt?« Aber diese Frage hatte Morann
erwartet.
    »Sie
ist gestern nach Dyflin gereist«, erzählte er seinem Freund ohne Umschweife.
»Sicher wird sie wieder länger dort bleiben wie beim letzten Mal. Aber falls
sie dich wirklich aufsuchen sollte, so kannst du ihr ja eine Nachricht
hinterlassen, dass sie nachkommen soll.« Am Ende gelang es ihm dennoch, den
Norweger zu überzeugen, dass es ratsam war, das Feld zu räumen. Die große
Viehherde des Hofs wurde in vier Teile aufgeteilt; drei davon wurden, jeder von
einem Viehhirten angeführt, zu verschiedenen Orten getrieben, wo man sie nicht
finden würde. Danach gab es für Harold nichts mehr zu tun, außer seine Wertsachen
zu verstecken und sich bereitzumachen, um mit seinen Söhnen zur Fahrt nach
Nordwesten aufzubrechen. Vier Tage später trafen sie beim O’Neill–König von
Tara ein.
    Das
Lager des Königs von Tara war von beeindruckender Größe. Für seinen neuen
Feldzug hatte er aus einigen der

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