Die Prinzen Von Irland
sich
an sein Schreibpult stellte, schien das Pergament vor ihm eine neue und
magische Bedeutung erlangt zu haben. Die Formen und Farben barsten unter seiner
Feder förmlich zu neuem Leben auf wie leuchtende junge Frühlingspflanzen. Und
noch erstaunlicher – im weiteren Verlauf des Tages wurden diese Empfindungen
immer eindringlicher und intensiver; er war so sehr in seine Arbeit vertieft,
dass er am späten Nachmittag nicht einmal bemerkte, wie das Licht draußen zu
schwinden begann. Erst als er spürte, wie ihm jemand beharrlich auf die
Schulter tippte, brach er schließlich mit einem jähen Aufschrecken wie jemand,
den man aus einem Traum geweckt hatte, ab und sah, dass die Mönche inzwischen
bereits drei Kerzen um seinen Tisch entzündet hatten und dass er nicht eine,
sondern fünf neue Illustrationen vollbracht hatte. Fast mit Gewalt hatten sie
ihn von seiner vollendeten Seite fortreißen müssen.
Und
so war es Tag für Tag weitergegangen, während der Mönch von mittleren Jahren,
tief in seine Kunst versunken, von einem so hitzigen Fieber erfasst, dass er
darüber oft sogar das Essen vergaß, blass, geistesabwesend, äußerlich voller
Schwermut, doch innerlich in Ekstase – wenn nicht von Gott, so doch von
Caoilinn inspiriert –, in all den abstrakten Mustern, all den grünenden
Pflanzen, all der leuchtend farbigen Fülle sinnlicher Schöpfung zum ersten Mal
die wahre Bedeutung von Leidenschaft entdeckte und zum Ausdruck brachte.
Ende
Februar begann er die große, dreifache Spirale der letzten ganzseitigen
Illustration zu zeichnen, und während er sie seinem Willen unterwarf und
entsprechend stauchte oder dehnte, fand er zu seiner Verwunderung, dass sie am
Ende ein großes, schwingendes X–P–Symbol geworden war, das anders aussah als
alle, die er zuvor gesehen hatte, und das wie ein fester Ausschnitt der
gespiegelten Ewigkeit auf der Seite prangte.
Zwei
Wochen vor Ostern war sein kleines Meisterwerk vollendet.
* * *
Als der Kunstschmied
Caoilinn gewarnt hatte, sie hätte bereits Konkurrentinnen, war dies nicht nur
Bluff gewesen. Es gab tatsächlich zwei Frauen, die Harold deutlich zu verstehen
gaben, dass sie, wenn er sich an ihnen interessiert zeigen sollte, dieses
Interesse erwidern würden.
Was
immer ihre Vorzüge waren, das Leben, das diese zwei Frauen ihm boten, war ein
wenig zu unbeschwert. Caoilinn war dagegen trotz all ihrer Fehler schlicht und
einfach interessanter. Obwohl er nicht mehr der Jüngste war, suchte Harold, der
Norweger, so schien es, immer noch das erregende Prickeln einer
Herausforderung.
Und
so ritt er, nachdem er sich die ganze Sache reiflich überlegt hatte, am letzten
Märztag wieder nach Rathmines hinaus. Obwohl Morann ihm davon abgeraten hatte,
obwohl sie nichts von sich hatte hören lassen. Hatte er sich bereits genau
entschieden, was er sagen würde? Obwohl es davon abhing, welchen Eindruck sie
auf ihn machen würde, im Prinzip ja. Aber genau wie er es bei der vorigen
Begegnung mit ihr getan hatte, wusste er auch, dass er sich auf seinen Instinkt
verlassen würde.
Als
er durch das Tor ritt, war sie gerade dabei, eine Kuh zu melken. Caoilinn fuhr
herum und sprang von dem Melkschemel, auf dem sie gesessen hatte. Das dunkle
Haar fiel ihr ins Gesicht; und mit einem einzigen Schwung warf sie das Haar
zurück; sie starrte ihn mit ihren großen Augen wie einen Eindringling an. Einen
Moment lang dachte er, sie würde ihm eine beleidigende Bemerkung ins Gesicht
schleudern, aber stattdessen sagte sie: »Harold, Sohn des Olaf. Wir hatten
nicht gewusst, dass Ihr heute vorbeikommen würdet.« Dann verharrte sie in einem
gefährlichen Schweigen.
»Heute
ist so herrliches Wetter. Da dachte ich, ich könnte mal in diese Richtung
reiten«, antwortete er und starrte von seinem Pferd herab zu Boden.
Dann
ließ er ein paar gleichgültige Bemerkungen fallen, saß aber nicht ab, so als
würde er jeden Augenblick weiterreiten. Er sprach ganz ruhig, erzählte von
seinem Hof, von den Ereignissen in Dyflin, von einer Fracht Wein, die gerade im
Hafen eingetroffen sei. Hie und da lächelte er in seiner freundlichen,
unkomplizierten Art. Und nie spielte er auch nur durch ein Wort oder einen
Blick darauf an, dass sie ihn beleidigt hatte oder dass sie sich eigentlich bei
ihm entschuldigen müsste. Nicht ein Wort. Er war einfach grandios. Das konnte
sie nicht leugnen.
Aber
was sie bis ins Innerste getroffen hatte, war etwas völlig anderes. Es war das
Einzige, was sie in den turbulenten Monaten
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