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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Welt.« Vor dieser
Schlacht, die von all seinen Schlachten die größte sein würde, trachtete der
alternde Heerführer danach, möglichst viele loyale und tapfere Männer um sich
zu versammeln.
    Also
ließ Morann seine Familie und Harolds Söhne beim O’Neill–König zurück und
machte sich zusammen mit dem Norweger sofort auf den Weg.
    Sie
ritten schweigsam, aber unbeschwert dahin und kamen gut voran. Die Landstraße
führte südwärts nach Tara; aber an einer bestimmten Stelle zweigte ein Weg nach
links in südöstlicher Richtung ab.
    »Wenn
wir diese Richtung nehmen, ist die Straße zwar weniger gut, aber sie führt
direkter nach Dyflin«, sagte Morann. »Welchen Weg würdest du lieber nehmen?«
    »Die
direkte Route«, erwiderte Harold ganz spontan, und so ritten sie mehrere
Stunden weiter auf den Fluss Boyne zu.
    Morann
hatte gewollt und geahnt, dass Harold sich für diesen Weg entschied. Warum, das
wusste er selbst nicht so genau. Vielleicht, weil es der Weg war, auf dem er
mit seinem Vater geritten war, als er ihn vor so vielen Jahren zum ersten Mal
nach Dyflin gebracht hatte. Er spürte einen eigenartigen inneren Drang, auf
diesen Weg zurückzukehren.
    Es
war später Nachmittag, als sich die beiden Männer den großen grünen Feenhügeln
über dem Boyne–Ufer näherten. Es herrschte Stille, weit und breit keine
Menschenseele zu sehen; der Himmel war trüb und grau, und unterhalb von ihnen
schienen die Schwäne von einem blassen Leuchten umgeben wie schimmernde Flecke
auf dem zu Stahl gewordenen Wasser.
    »Hier«,
erklärte Morann mit einem Schmunzeln, »wohnen die Tuatha De Danann.« Er zeigte
auf das beschädigte Dachgewölbe des größten Grabhügels. »Einmal haben eure Leute
versucht, dort hineinzugelangen. Hast du das gewusst?«
    Der
Norweger schüttelte den Kopf: »Das ist ja ein schauriger Ort.«
    Sie
wanderten um die Gräber herum, bestaunten die großen Steine mit den
eingeritzten Zeichnungen und den herabgestürzten Quarz. Dann kündigte Harold
an, er wolle lieber ein wenig über die Uferhöhen spazieren, aber Morann
beschloss, vor dem Eingang des größten dieser Gräber zu verweilen, wo der Stein
mit den drei großen Spiralen stand. Von irgendwoher rief ein Vogel, aber sonst
war kein Laut zu hören. Das Licht begann unmerklich zu schwinden.
    Schaurig.
Morann blickte über den Fluss und erinnerte sich an seinen Vater. Der Schmied
musste wohl schon eine ganze Weile so dagestanden und gewartet haben, als er
plötzlich den Eindruck hatte, dass sich irgendetwas vom Fluss herauf über die
Uferböschung auf ihn zubewegte.
    Sonderbarerweise
fürchtete er sich weder noch war er verwundert. Wie alle Menschen auf der Insel
wusste er, dass die Geister vielerlei Gestalt annehmen konnten. Da gab es die
alten Götter, die als Vögel oder Fische erscheinen konnten; da gab es Feenwesen
und Zwerge; vor dem Tod eines großen Mannes konnte man mitunter ein furchtbares
Klagen vernehmen, und dies war die Totenklage des Geistes, den sie die Banshee
– die Frau aus dem Feenhügel – nannten. Aber obwohl Morann sofort den Verdacht
hatte, dass es ein Geist wäre, konnte er keine bestimmte Form ausmachen; es war
nicht einmal Nebel. Er spürte jedoch deutlich, dass es sich den Abhang herauf
auf ihn zubewegte.
    Der
unsichtbare Schatten strich ganz dicht an ihm vorüber, und Morann empfand ein
sonderbares Gefühl von Kälte, bevor es sich auf den Hügel zu entfernte, an dem
Stein mit den eingravierten Spiralen vorbeistrich und in seinem Eingang
verschwand.
    Als
der Geist verschwunden war, blieb Morann völlig reglos stehen und blickte
unverwandt über den Boyne; und auch wenn er nicht sagen konnte, auf welche
Weise, so wusste er doch ganz sicher, was kommen würde. Er fürchtete sich nicht
davor, aber er wusste es. Und als Harold nach einer Weile zurückkehrte, sagte
er zu ihm: »Du darfst nicht mit mir mitkommen. Reite lieber zu deinem Hof in
Fingal.«
    »Aber
was ist mit Brian Boru?«
    »Mich
möchte er bei sich haben. Für dich werde ich eine Ausrede finden.«
    »Du
hast mir doch gesagt, dass es gefährlich ist, auf dem Hof zu bleiben.«
    »Ich
weiß. Aber ich habe eine Vorahnung.«
    Am
nächsten Morgen ritten die beiden Männer gemeinsam nach Süden, doch als sie den
Nordrand der Ebene der Vogelscharen erreichten, hielt Morann jäh sein Pferd an
und stieg ab. Harold folgte seinem Beispiel.
    »Hier
trennen sich unsere Wege. Doch bevor wir uns trennen, Harold, möchte ich, dass
du mir etwas versprichst: Bleibe auf

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