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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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die Verbündeten, die ihr König von Leinster zu
dem Schlag gegen Brian Boru herbeigerufen hatte. Sie hätte sich gewünscht, er
hätte ein anderes Aufgebot an Männern gefunden.
    Während
sie auf die Kirche zuschritt, fragte Caoilinn sich, ob sie im Begriff war,
einen entsetzlichen Fehler zu begehen. Zumindest war ihr Rückzug in das Haus
ihres Bruders in Dyflin voreilig gewesen, und König Brian würde Rathmines
diesmal unbehelligt lassen, denn nun rückte er auf der anderen Seite der Liffey
heran. Ihr ältester Sohn war an diesem Morgen bereits wieder zu ihrem Rath zurückgekehrt, um das
Vieh zu versorgen. Aber die eigentliche Frage war: Warum war sie nicht zu
Harold gegangen? Ihr Sohn hatte ihr deutlich die Meinung gesagt:
    »Großer
Gott, so geh doch zu ihm. Du hast Harold nicht das Geringste vorzuwerfen. Der
Mann hat mit Brian Boru nichts zu tun. Du hast das Andenken an meinen Vater
länger geehrt, als es nötig gewesen wäre. Hast du nicht genug für Leinster
getan?«
    Sie
wusste nicht einmal genau, wo sich Harold jetzt befand. War er auf seinem Hof
oder vielleicht beim O’Neill–König? Sein Angebot war klar gewesen. Sie sollte
sich bis Ostern bei ihm melden, aber nicht danach. Wenn der Mann auch nur das
geringste Maß an Vernunft besäße, dachte sie, dann würden ein paar Tage oder
Wochen nicht ins Gewicht fallen, aber in der Natur des Norwegers lag etwas
äußerst Entschlossenes: Er würde von seiner Frist nicht abrücken. So ärgerlich
dies auch war, so sehr bewunderte sie ihn dafür. Wenn sie erst nach Ostern zu
ihm kam, würde sein Herz zugeschlagen sein wie ein schweres hölzernes Tor. Und
das Angebot würde nicht mehr gelten. Das wusste sie. Ihr Stolz machte es ihr
immer noch schwer, ihn gewinnen zu lassen, und sie wollte ihre Entscheidung so
lange wie möglich aufschieben, bis sie einen Weg gefunden hatte, ihm gegenüber
ebenbürtig aufzutreten.
    Außerdem
war sie auch ein wenig nervös. Wenn die Leute jetzt sehen würden, dass sie
Dyflin verließ, um zu einem Mann überzulaufen, der unter Brians Schutz stand,
und wenn es den Männern von Dyflin gelingen sollte, Brian zu schlagen, dann
würden sie ihre Fahnenflucht vermutlich nicht gerade freundlich aufnehmen. Es
könnte sogar zu hässlichen Vergeltungsmaßnahmen kommen. Wenn sie andererseits
blieb, wo sie war, und Brian gewann, konnte es natürlich passieren, dass sie im
brennenden Dyflin in der Falle saß. Aber das Schlimmste an der Sache war der
unverfroren zynische Vorschlag, den ihr Sohn ihr, kurz bevor er aufbrach,
unterbreitet hatte.
    »Als
Familie, verstehst du, wäre es für uns das Beste, wenn wir mit einem Fuß in
beiden Lagern stünden, so dass wir einander helfen können, wie immer die
Geschichte ausgeht. Ich stehe natürlich im Lager von Leinster, aber wenn du zu
Harold gehen würdest…«
    »Mit
anderen Worten«, sagte sie bitter, »du willst ausgerechnet mich in Brian Borus Lager
sehen?«
    »Nein,
natürlich nicht direkt. Aber da Harold Moranns Freund ist, und Morann
wiederum…« Er machte eine wegwerfende Bewegung. »Das alles spielt ohnehin keine
Rolle, denn ich weiß, dass du ja doch nicht zu ihm gehst.«
    Zur
Hölle mit ihnen allen, dachte sie sich im Stillen. Denn zum ersten Mal in ihrem
Leben wusste Caoilinn tatsächlich nicht, was sie tun sollte.
    * * *
    Die Palmsonntagsmesse
hatte bereits begonnen, als die einsame Gestalt auf dem Holzquai in leicht
gekrümmter Haltung dem Boot zustrebte. Der Mann war allein. Seine Gefährten von
dem Langschiff trieben sich woanders herum. Freunde konnte er nicht gebrauchen.
In diesem Augenblick stand ein verschlagenes Grinsen in seinem Gesicht.
    Er
hatte an vielen Orten gelebt. Seine drei Söhne waren in Waterford aufgezogen
worden, aber vor einigen Jahren hatte er sich mit ihnen überworfen und sie
seither kaum gesehen. Sie waren erwachsen, und er schuldete ihnen nichts.
    Lange
Zeit hatte er ein rastloses Wanderleben geführt, dann in dem kleinen Hafen am
Boyne Handel getrieben und dort mit einer Frau angebändelt. Da er schwarzes
Haar hatte, hatten ihn die keltisch sprechenden Leute im Hafen Dubh Gail – den
»dunklen Fremden« – genannt. Sogar die Frauen hatten ihn so gerufen: »Mein Dubh
Gail.« Seine Schiffskameraden hatten diesen Namen ebenfalls benutzt. Und so
dauerte es nicht lange, bis sogar im Wikingerhafen Waterford seine Kinder als
die Kinder der Familie Dubh Gail bezeichnet wurden. Inzwischen fand er den
Namen jedoch nicht mehr amüsant, und seine Mannschaftskameraden auf

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