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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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ihres Bruders ein wenig nachgeholfen. So
sehr die königliche Dame als Unruhestifterin galt, konnte Caoilinn diesmal ihr
Verhalten nur billigen. Im Laufe der Nacht waren alle Feuer in Fingal und
Kilmainham zwar erloschen, aber niemand wusste, was Brians Männer als Nächstes
in Brand stecken würden. Daher war man fast erleichtert, als jetzt endlich die
Armee ausrückte.
    Aber
zugleich war es ein Furcht erregender Anblick. Die Leinsterkrieger, die aus
Dyflin ausrückten, trugen lange Westen in leuchtenden Farben oder lederbesetzte
Waffenröcke über ihren Hemden; manche trugen Helme, die meisten aber den
traditionellen bemalten Schild, verstärkt mit eisernen Buckeln. Aber so
prächtig dieses Kampfgewand auch wirkte, war es doch harmlos im Vergleich zu
dem der Wikinger, die Kettenhemden trugen. Engmaschig aus Tausenden winziger
Eisen– oder Stahlglieder verwoben und vernietet und über einem ledernen
Untergewand getragen, das bis unter die Hüfte oder gar bis unter das Knie
reichte, war das Kettenhemd zwar schwer und beeinträchtigte den Krieger in der
Bewegung; aber es war auch äußerst schwer zu durchstoßen. In der Verwendung
dieses Rüsthemds folgten die Wikinger einem Brauch, der sich im Orient
entwickelt hatte und nun auch in weiten Teilen Europas gepflegt wurde. Bei den
Menschen auf der westlichen Insel verlieh es ihnen ein fremdartig graues,
düsteres und unheilvolles Aussehen. Dies war die Rüstung, die die meisten
Männer von den Langschiffen trugen.
    Es
war eine gewaltige Streitmacht, die aus Dyflin ausrückte und die hölzerne
Brücke überquerte. So sehr sich ihre Rüstung voneinander unterschied, so
ähnlich waren sich die Waffen, die die Iren und die Wikinger trugen. Denn neben
den gewohnten Speer und Schild hatten viele keltische Krieger auch wikingische
Streitäxte. Es gab einige Bogenschützen, deren Köcher mit vergifteten Pfeilen
gefüllt waren, und es gab eine ganze Reihe von Streitwagen, auf denen die
großen Krieger fuhren. Während sie den Auszug beobachtete, versuchte Caoilinn
gar nicht erst lange mitzuzählen, aber ihr schien, als wären es weit über
zweitausend Mann.
    Als
sie die Brücke überquerten, lag immer noch bleicher Nebel über dem Wasser, und
eine Weile sah es auf der anderen Seite so aus, als trieben sie wie eine Armee
von Gespenstern am gegenüberliegenden Ufer entlang. Zu ihrer Rechten, jedoch
weiter entfernt, bemerkte Caoilinn nun auch Bewegung in Brian Borus Lager; und
auf den Abhängen in der Ferne konnte sie gerade noch als schemenhafte Masse die
Armee des Königs von Tara erkennen.
    Was
sollte sie tun? Die Stadttore waren, nachdem die Armee sie passiert hatte,
nicht wieder geschlossen worden. Die Brücke war frei. Auf dem anderen Ufer
würde sich die Armee in Kürze zwei Meilen oder noch weiter entfernt haben, und
das Lager des O’Neill–Königs befand sich in ähnlicher Entfernung. Wenn sie es
wollte, so konnte Caoilinn die alte Landstraße nach Norden nehmen und in weniger
als zwei Stunden auf Harolds Hof eintreffen. Wenn die Schlacht erst einmal
begonnen hatte, würde der Weg wieder versperrt sein. Dies war vielleicht also
ihre letzte Chance.
    Sollte
sie zu ihm gehen? Ihr Sohn meinte, ja. Wollte sie zu ihm gehen? Während der
letzten Tage hatte sie an kaum etwas anderes gedacht. Wenn sie jemanden
heiraten sollte, so wüsste sie keinen besseren Mann als Harold. Sie begehrte
ihn. Es war lächerlich, dies zu leugnen. Aber liebte sie ihn? Als sie über
Fingal Rauch und Flammen aufsteigen sah und an den Norweger und seinen Hof
dachte, hatte sie ein Stechen der Angst und eine sanfte Woge zärtlicher Gefühle
für ihn verspürt, bevor sie sich wieder erinnerte, dass er ja unter dem Schutz
des Königs von Tara stand und er und sein Hof daher wohl in Sicherheit waren.
    Aber
nun, da sie die Männer aus Dyflin in die Schlacht hinausziehen sah, kam sie zu
dem Schluss, dass es, egal was ihre eigenen Gefühle waren und was immer ihr
ältester Sohn sich wünschen mochte, ihre wichtigste Pflicht sein musste, die
besten Aussichten für ihre jüngeren Kinder zu sichern. Sie musste berechnend
sein – und, falls nötig, kalt.
    Heute
war Karfreitag. Mit ein wenig Glück würde die Schlacht bei Einbruch der Nacht
entschieden sein. Wenn Brian Boru geschlagen wurde, wäre es töricht, Harold zu
heiraten. Wenn er siegte, bliebe dagegen bis Ostern noch ein Tag Zeit, um zu
dem Norweger zu gehen. Harold konnte natürlich in der Schlacht fallen. Und er
konnte ihr Spiel auf Zeit durchschauen

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