Die Prinzen Von Irland
an der Christ Church.
Der große Lord stand allein da und starrte scheinbar gedankenverloren auf den
Fluss; und Peter, der glaubte, der Earl of Pembroke hätte ihn nicht bemerkt,
ging still an ihm vorbei, als er plötzlich den Magnaten seinen Namen sagen hörte.
Er drehte sich um.
Strongbows Gesicht
war unbewegt, doch Peter schien es so, als sähe er niedergeschlagen aus. Kein
Wunder. Obwohl die Belagerer sorgenfrei weit vor den Mauern lagerten, hatten
sie ein scharfes Auge auf die Tore. Es war unmöglich, Spähtrupps auszusenden.
Zwei Tage zuvor hatte Strongbow im Schutz der Dunkelheit ein Boot
hinausgeschickt, um zu überprüfen, ob Lieferungen auf dem Wasserweg
hineingeschmuggelt werden könnten; doch der Feind hatte das Boot gegenüber von
Clontarf geschnappt und es bei kommender Flut unter Beschuss zurückgeschickt.
Unter den Dublinern und auch unter den englischen Soldaten raunte man: »Der Hochkönig
hat ihn bezwungen.« Doch der Earl of Pembroke war ein erfahrener Befehlshaber;
Peter glaubte nicht, dass er sich ihm bereits geschlagen gab.
Strongbow musterte
ihn prüfend, als überlegte er etwas. »Wisst Ihr, was ich im Augenblick brauche,
Peter FitzDavid?«, fragte er leise.
»Einen weiteren
Nebeltag«, schlug Peter vor. »Dann könnten wir uns zumindest hinausschleichen.«
»Ja, vielleicht. Aber
vor allem muss ich unbedingt wissen, wo der Aufenthaltsort des Hochkönigs und
wie die exakte Aufstellung seiner Streitkräfte ist.«
Er plant also einen
Ausbruch, dachte Peter. Tatsächlich gab es keine andere Möglichkeit. Um aber
auch nur die geringste Hoffnung auf Erfolg zu haben, müsste er die Belagerer in
einem Überraschungsangriff überrennen.
»Wünscht Ihr, dass
ich heute Nacht hinausgehe und spähe?«, fragte er. Würde er erfolgreich
zurückkehren, brächte ihm dies sicher hohe Gunst ein.
»Vielleicht. Ich bin
nicht sicher, ob es Euch gelingt.« Seine Augen fixierten Peter, dann senkte er
den Blick. »Der Erzbischof und der junge Priester wissen es wahrscheinlich. Wie
ist noch sein Name? Vater Gilpatrick. Aber ich kann sie selbstverständlich
nicht fragen.«
»Ich kenne
Gilpatrick, aber er würde es mir nie verraten.«
»Nein. Aber Ihr
könntet seine Schwester fragen.« Strongbow richtete seinen Blick wieder auf den
Fluss. »Wenn Ihr sie das nächste Mal seht.«
Peter spürte, wie er
blass wurde. Der
Earl of Pembroke wusste es also. Er und wie viele andere noch? Doch das Schlimmste
von allem war die Aufforderung, Fionnuala als Spionin zu missbrauchen oder sie
zumindest auszuhorchen. Aber wenn er Strongbows Gunst erlangen wollte, täte er
gut daran, etwas herauszufinden.
Die Chance dazu ergab
sich schon am selben Nachmittag. Sie hatten sich im Haus geliebt. Es blieb
ihnen noch eine Stunde, bis Fionnuala gehen müsste, und sie unterhielten sich ungezwungen
über die O’Byrnes, die am nächsten Tag wieder erwartet wurden, und über ihr
Leben zu Hause. »Ich glaube«, sagte Peter, »Strongbow wird sich bald dem Hochkönig
ergeben müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich noch einen weiteren
Monat halten kann. Und es besteht keine Aussicht, dass uns jemand zu Hilfe
kommt. Ich bin froh, wenn es vorbei ist. Dann kann ich kommen und bei euch essen,
wie es dein Vater versprochen hat. Wenn du bis dahin nicht Brendan O’Byrne
geheiratet hast…«, fügte er unsicher hinzu.
»Sei nicht albern.«
Sie lachte. »Ich heirate Brendan nicht. Und die Belagerung muss ja auch bald
ein Ende haben.«
Das war die
Gelegenheit.
»Wirklich?« Scheinbar
wollte er nur eine Bestätigung haben. »Ist das auch Gilpatricks Meinung?«
»Ja. Ich habe ihn
erst gestern belauscht, als er meinem Vater erzählte, der Hochkönig habe sein
Lager flussaufwärts aufgeschlagen. Und da er so genau wisse, dass die Engländer
keine Chance hätten, gingen seine Männer jeden Tag in der Liffey baden.«
»Was?«
»Ja, mit allen großen
Stammesoberhäuptern. Sie machen sich nicht die geringsten Sorgen.«
Peter FitzDavid
stockte der Atem. Beinahe wäre ein Ausdruck der Freude auf sein Gesicht
getreten, doch er beherrschte sich, setzte eine finstere Miene auf und
murmelte: »Dann haben wir keine Chance. Es ist so gut wie vorbei.« Er hielt
inne. »Du erzählst besser niemandem, was ich gesagt habe, Fionnuala. Wenn
Strongbow je davon erfahren sollte… würde man an meiner Loyalität zweifeln.«
»Sei unbesorgt«,
beruhigte sie ihn.
Doch seine Gedanken
überschlugen sich bereits.
* * *
Am folgenden Nachmittag beobachteten
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