Die Prinzen Von Irland
er ihm, falls
er sich nicht fügt, wegnehmen kann.«
O’Byrne hörte
aufmerksam zu und sagte dann: »Ich frage mich, Vater Gilpatrick, auf was unsere
irischen Stammesoberhäupter eigentlich schwören. Wenn ein irischer König in das
Haus eines größeren Königs kommt, bedeutet das Schutz und Tribut. Doch auf der
anderen Seite des Meeres bedeutet es vielleicht etwas ganz anderes. Könnt Ihr
mir sagen, was es ist?«
»Irland ist seit
Menschengedenken in Stammesgebiete aufgeteilt. Wenn ein Stammesanführer einen
Eid schwört, tut er es für sich, seinen herrschenden Clan und seinen Stamm. Doch
in England sind die Stämme bereits vor langer Zeit verschwunden. Die Struktur
des Landes besteht aus Dörfern mit kleinen Bauern und Leibeigenen, die fast
Sklaven sind. Undwenn dort ein Vasall Anerkennung zollt,
so bietet er nicht Treue gegen Schutz, sondern er bestätigt sein Recht, dieses Land
in Besitz zu nehmen, und die Zahlungen hängen von seinem Wert ab.«
»Solche
Vereinbarungen sind in Irland nicht unbekannt«, bemerkte Brendan.
»Und das ist noch
nicht alles. Stirbt ein Vasall, muss sein Erbe dem König eine beträchtliche
Summe zahlen, damit er das Erbe antreten kann. Und besonders in England
herrscht ein noch strengeres System. Bereitet jemand dem König Schwierigkeiten,
so bestraft dieser ihn nicht oder fordert Tribut, sondern er nimmt ihm das Land
weg und gibt es einem anderen. Das sind Machtstrukturen, die weit darüber
hinausgehen, wovon je ein irischer Hochkönig geträumt hat.«
»Diese Engländer sind
strenge Leute.«
»Die Normannen, um
genau zu sein. Denn einige von ihnen behandeln die Angelsachsen wie Hunde. Ein
Ire ist innerhalb seines Stammes ein freier Mann. Der sächsische Bauer ist es nicht.
Ich habe den Eindruck«, sagte Gilpatrick, »dass diese Normannen sich mehr um
ihren Besitz kümmern als um die Menschen. Hier in Irland streiten wir uns, wir
kämpfen, manchmal töten wir auch, aber außer wenn wir zornig sind, herrscht
unter uns Freundlichkeit und Rücksichtnahme. Vielleicht ist alles eine Frage
der Eroberung. Schließlich sind auch wir froh, englische Sklaven zu besitzen.«
»Glaubt Ihr, dass
auch nur einer der irischen Fürsten die Vorstellung hat, er ginge, wenn er
Heinrichs Haus beitritt, diese englischen Verbindlichkeiten ein?«, fragte
Brendan.
»Nein, vermutlich
nicht.«
»Ob Heinrich ihnen
das gesagt hat?«
»Bestimmt nicht.«
»Dann verstehe ich,
glaube ich«, sagte Brendan tief in Gedanken, »wie es weitergehen wird. Zu einem
späteren Datum werden die Engländer – nicht Heinrich, der gerissen ist, sondern die englischen Lords – ernsthaft glauben, die Iren
hätten auf die eine Sache geschworen, und die Iren werden glauben, sie hätten
auf etwas anderes geschworen, und beide Seiten werden sich misstrauen.« Er
seufzte. »Diesen Plantagenet–König hat uns der Teufel geschickt.«
»Das sagt man über
seine ganze Familie. Was werdet Ihr tun?«
»Ich weiß es nicht.
Aber ich danke Euch, Vater, für Euren Rat. Übrigens«, sagte er mit einem
Lächeln, »hatte ich keine Gelegenheit, Eure Familie und Eure Schwester zu
besuchen. Richtet ihnen Grüße von mir aus. Insbesondere natürlich Fionnuala.«
»Das tue ich«, sagte
Gilpatrick zu Brendan, der sich verabschiedete. Und er dachte, es wäre
wundervoll für diese Familie, wenn Ihr Fionnuala heiraten würdet. Aber Ihr seid
viel zu gut für sie, Brendan O’Byrne.
Rasch erkannte Una
das Gute in Ruairi O’Byrne. Nach der ersten Nacht ruhigen Schlafs im Hospiz
erschien er am Morgen in recht guter Verfassung, und sie hatte angenommen, er würde
sich nun verabschieden. Doch am Mittag war er noch immer da. Er war wohl ganz
zufrieden damit, mit den Bewohnern, die seine Gesellschaft offenbar schätzten,
zu reden. Fionnuala war nicht da, und weil er sah, dass Una Unterstützung brauchte,
sprang er ihr öfter zur Seite und half ihr bei ihren Aufgaben. Die Frau des
Palmers empfand ihn als einen sehr angenehmen jungen Mann. Der Palmer selbst
hingegen murrte, wenn auch nicht unfreundlich, ein junger Mann seines Alters
sollte Besseres zu tun haben, wofür ihn seine Frau rügte.
Ruairi schien es
nicht zu drängen, an diesem Tag aufzubrechen, sondern er äußerte den Wunsch, im
Männerschlafsaal zu übernachten. Am nächsten Morgen erzählte er Una, er müsse in
Dublin ein Pferd kaufen, damit er zu den O’Byrneszurückkehren
könne. Fionnuala musste jeden Augenblick kommen, doch er brach auf, ehe sie
eintraf, und kam erst zurück,
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