Die Prinzen Von Irland
stellte
aufmerksame Fragen zum Hospiz. Wäre er nicht eine wundervolle Partie, wenn
Fionnuala ihn zum Ehemann bekäme?, dachte sie.
Sein Cousin Ruairi
war größer als Brendan. Er hatte hellbraunes, kurz gestutztes Haar. Mit seinen
Bartstoppeln sah er aus wie ein junger Krieger. Er schien nicht so gesetzt und ernsthaft
zu sein wie Brendan; während sie um das Hospiz spazierten, stellte er keine
Fragen, sondern beschränkte sich darauf, ihnen zuzuhören und sie mit einem
verhaltenen Lächeln zu beobachten, so dass man nach einer Weile neugierig wurde,
was er wohl dachte.
Anfangs gingen sie
alle nebeneinander die Straße entlang und plauderten. Dann teilten sie sich in
zwei Paare, Brendan und Fionnuala liefen vorneweg, Ruairi und Una hinterher.
Eine Weile gingen Una
und Ruairi stumm nebeneinander, aber als sie ihm einige Fragen stellte,
sprudelte es nur so aus ihm heraus. Er war schon viel in der Welt
herumgekommen. Er beschrieb ihr die Küsten von Connacht und die vorgelagerten
Inseln, berichtete von seinen Reisen mit den Händlern»aus
der Zeit, als ich unten in Cork war«. Er war in London und in Bristol gewesen
und auch in Frankreich. Sie fragte ihn gespannt, ob er schon einmal in Rouen
gewesen sei. Nein, aber er erzählte ihr eine lustige Geschichte über einen
dortigen Händler, der in ein zwielichtiges Geschäft verwickelt gewesen war.
»Reist dein Cousin
Brendan auch so viel?«, erkundigte sie sich.
»Brendan?« Sein
Gesicht nahm plötzlich einen Ausdruck an, den sie nicht deuten konnte. »Er
bleibt lieber zu Hause und kümmert sich um seine Angelegenheiten.«
»Und du? Kümmerst du
dich nicht um deine Angelegenheiten zu Hause?«
»Doch.« Er starrte
vor sich hin, als dächte er gerade an etwas anderes. »Ich muss bald noch eine
Reise unternehmen. Und zwar nach Chester.«
Una hatte das Gefühl,
dass diesem jungen Mann mit der ruhelosen Seele trotz all des Wunderbaren, das
ihm auf seinen Reisen begegnete, im Leben etwas fehlte.
»Du solltest an einem
warmen Feuer in deinem eigenen Heim sitzen«, sagte sie. »Zumindest hin und
wieder.«
»Da hast du Recht«,
entgegnete er. »Vielleicht mache ich es, wenn ich zurückkomme.«
Obwohl sie ihn kaum
kannte, fühlte sie sich neben ihm sehr wohl, und die Zeit verging ihr wie im
Fluge. Als sie sich verabschiedeten, wünschte sie sich, sie würden sich eines
Tages wieder sehen.
Am siebzehnten
Oktober des Jahres 1171 traf König Heinrich II. von England in Irland ein. Er
war der erste englische Monarch, der die Insel besuchte. Er ging mit einem großen
Heer in der südlichen Hafenstadt Waterford an Land. Er hatte keineswegs die
Absicht, Irland, das ihn nur wenig interessierte, zu erobern, aber er wollte
die Macht seines VasallenStrongbow brechen und ihn zum
Gehorsam zwingen. In gewissem Maße hatte er sein Ziel bereits erreicht, ehe er
überhaupt in Irland ankam, denn ein beunruhigter Strongbow hatte ihn schon in
England aufgesucht und ihm all seine irischen Reichtümer übertragen. Dennoch
gedachte er, sich das Land anzusehen und dafür zu sorgen, dass Strongbow sich ihm
mit gebotener Demut unterwarf.
Das Heer im Gefolge
von König Heinrich war in der Tat gewaltig: fünfhundert Ritter und fast
viertausend Bogenschützen. Mit ihnen, ganz zu schweigen von Strongbows bereits
großen Streitkräften, hätte der englische König, wenn er es denn gewollt hätte,
die ganze Insel erstürmen und jeglichen Widerstand im Keime ersticken können.
Heinrich wusste dies nur zu gut.
* * *
Fünfundzwanzig Tage nach seiner Ankunft in
Waterford hatte er bereits alle Angelegenheiten in Südleinster geregelt und war
in Dublin eingetroffen. Nun hielt er am Rande des alten Hoggen Green, umgeben
von einer vieltausendköpfigen Armee, in vollkommener Sicherheit Hof. Der
Hochkönig, die bedeutenden Männer aus Connacht sowie aus dem entlegenen Westen
und die Stammesführer der großen irischen Clans aus allen anderen Provinzen
suchten ihn bereitwillig oder widerwillig auf.
Heinrich hatte
verkündet, er persönlich werde die Macht in Dublin und den dazugehörigen
Gebieten, in Wexford und Waterford übernehmen. Strongbow erhalte die Erlaubnis,
das übrige Leinster als sein Lehnsmann zu halten; und ein anderer großer
englischer Magnat, Lord de Lacy, den Heinrich als Getreuen mitgebracht hatte,
solle als sein persönlicher Statthalter oder Vizekönig über Dublin befehlen. So
würde jedes irische Oberhaupt, das zum Osten der Insel blickte, eine scheinbar
traditionelle irische Ordnung
Weitere Kostenlose Bücher