Die Prinzen Von Irland
die das Bildnis von Strongbow gemeißelt war.
Es war typisch für die Plantagenets, dass sie ihrem Vasallen eine letzte Ruhestätte
und ein Monument an einem der heiligsten Plätze der Insel gegeben hatten.
Strongbows Grabmal war das Symbol für ihre Herrschaft über Irland. Doch der
bedeutendsteSchatz der Christ Church, der noch mehr
verehrt wurde als die Kreuzreliquie, war der Bischofsstab des heiligen Patrick.
Es
lag nun fast zwei Jahrhunderte zurück, dass sich die Mönche der Christ Church –
während der Amtszeit des Erzbischofs O’Toole – diesen großen Schatz von seinem
früheren Aufbewahrungsort in Ulster beschafft hatten. Dies hatte für ihr
Ansehen natürlich einen Triumph bedeutet. Doch dass der Stab sich in Dublin
befand, hatte noch eine subtilere Bedeutung.
Das
Scheitern der Engländer, ganz Irland unter ihre Herrschaft zu bringen,
spiegelte sich auch in der Spaltung der Kirche wider. Nach Ansicht des Papstes
war der König von England das Oberhaupt der irischen Kirche, und die irischen Bischöfe
waren ihm wie einem feudalen Monarchen zur Treue verpflichtet. Als der
englische König immer mehr darauf beharrte, Engländer als Bischöfe in seinem
irischen Königreich einzusetzen, erhob der Papst zwar manches Mal Einspruch,
doch meistens gab er seine Zustimmung. In der Umsetzung jedoch war diese
englische Dominanz nur in den Gebieten wirkungsvoll, die unter königlicher
Kontrolle standen. Im Norden und Westen predigten meist irische Priester zu der
irisch sprechenden Bevölkerung. Die Spaltung war in der Tat so groß, dass der
englische Erzbischof von Sankt Patrick in Ulster, genauer in Armagh, nicht
einmal in Armagh residierte, wo er nicht sehr willkommen war, sondern in einer Englisch
sprechenden Gegend im Süden. Daher entbehrte es nicht einer gewissen Ironie,
dass der bedeutende Stab des größten irischen Heiligen sich mitten im englisch
verwalteten Dublin befand.
Der
Bischofstab war prächtig. Der große goldene Schrein, der ihn umschloss, war
über und über mit Edelsteinen besetzt. Tom wusste, dass der Heilige ihn aus der
Hand Christi erhalten hatte und man ihn oft als den Stab Jesu bezeichnete, den
Bachall Iosa. Voller Ehrfurcht betrachtete er ihn.
»Der
Stab eines Helden.« Tom hatte nicht bemerkt, dass sich ein Priester neben ihn
gestellt hatte, ein blonder junger Mann mit einem offenen, recht einfältigen
Gesicht. Er hatte Tom in einem englischen Dialekt angesprochen, was darauf schließen
ließ, dass er erst seit kurzem in Irland war.
»Ja,
wahrhaftig«, stimmte Tom höflich zu.
»Nichts
konnte ihn schrecken«, sagte der junge Priester. »Nicht der Hochkönig. Nicht
die Druiden. Er war furchtlos.«
In
den Jahrhunderten seit den Anfängen der irischen Kirche mehrten sich die
Legenden über ihren Begründer ständig. Wie jedermann kannte Tom sie alle und
glaubte sie. Er wusste, dass Sankt Patrick dem Hochkönig gegenübergetreten war
und dessen Druiden wie ein Prophet aus dem Alten Testament herausgefordert
hatte, um herauszufinden, wessen Gott ein Feuer entzünden könne, das nicht zu
löschen war; er wusste, dass Sankt Patrick viele Wunder vollbracht und sogar die
Schlangen verbannt hatte – eine Legende, die selbst den Heiligen sehr
überrascht hätte.
»Ja«,
pflichtete er bei. »Er war furchtlos.«
»Da
er auf Gott vertraute«, sagte der junge Priester und lächelte Tom einnehmend
an. »Es ist doch eine gute Sache für Euch und mich, dass Strongbows Grab und
der Bischofsstab des heiligen Patrick in dieser Kathedrale sind.«
»Ja,
wahrhaftig«, sagte Tom wieder. Und dann ein wenig neugierig: »Warum ist das
so?«
»Beide
waren tapfere und beherzte Engländer«, sagte der junge Mann triumphierend. »Und
das sind wir auch.« Und damit nickte er Tom freundlich zu und ging seines
Weges.
Tom
Tidy hatte ausreichend Geschichtskenntnisse, um die zweifelhafte Seite dieser
Ausführungen zu erkennen. Sankt Patrick war englischer Herkunft, aber konnte
man ihn wirklich einen Engländer nennen? Und Strongbow? War der große anglo–normannische
Lord ein Engländer gewesen wie er oderdieser einfache
Priester? Er wusste es nicht genau. Doch eine Eigenschaft der beiden Herren war
unzweifelhaft: »Tapfer und beherzt.« Das waren Strongbow und Sankt Patrick
sicherlich jeder auf seine Weise gewesen. Er schaute auf den glänzenden Bachall
Iosa. War er selbst beherzt? Nicht im Augenblick, da er in Panik von Dalkey
nach Dublin geeilt war, sich einer Familie, die er kaum kannte, als
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