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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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leiser gesprochen, und die Stimme klang
vertraut. Ihn fröstelte.
    »Und
wo ist er?«
    Wenn
es eine Antwort gab, so hörte er sie nicht. Aber die Schritte kamen direkt auf
ihn zu.
    Sie
kamen seinetwegen. Er konnte nichts unternehmen. Wie töricht von ihm, er hätte
doch in Dublin bleiben können. Doch nun war es zu spät. Er hatte nicht einmal
eine Waffe, um sich zu verteidigen. Sie würden ihn töten: Dessen war er sich
gewiss. Würden sie ihn hier in der Kirche umbringen? Nein. Dies war schließlich
Irland. Sie würden ihn an einen ruhigen Platz bringen. Dort würden sie ihn
verschwinden lassen. Vielleicht wäre er schon bald auf dem Gemeindegrund von
Dalkey begraben. Er zögerte, ob er auf den Knien im Gebet verharren oder ihnen
wie ein Mann entgegentreten sollte; die Schritte waren nun ganz nah. Sie
hielten inne. Er drehte sich um und sah auf.
    Es
war MacGowan. Und ein großer dunkler Mann, in dem er Doyle erkannte. Er
runzelte die Stirn. Sein Freund? Und der Kaufmann aus Dublin? Sie konnten doch
nicht mit O’Byrne unter einer Decke stecken. Ihm wurde schwindlig bei dem
Gedanken an einen solchen Verrat. Dann begann Doyle zu sprechen.
    »Ihr
müsst hier weg, Tidy. Ihr müsst mit uns kommen.« Und als Tom sie verständnislos
anstarrte, zeigte sich auf dem dunklen Gesicht des Kaufmanns ein freundliches
Lächeln. »MacGowan hat mir alles erzählt. Ihr seid ein tapferer Mann, Thomas
Tidy. Aber wir können nicht zulassen, dass Ihr hier bleibt.« Er streckte seinen
langen Arm aus und nahm Tom sanft, aber entschlossen am Ellenbogen. »Es ist
Zeit zu gehen.«
    Tom
erhob sich langsam. Er runzelte die Stirn. »Ihr meint…?«, setzte er an.
    »Ich
meine, ich nehme Euch mit nach Dublin«, sagte Doyleruhig.
»Ihr wohnt ein paar Tage in meinem Haus, bis diese Geschichte vorüber ist.«
    »Ihr
denkt, sie wissen…? Sie vermuten es vielleicht«, betonte Tom. »Aber sie wissen
es nicht.«
    »Ich
bin sicher, dass sie es wissen«, sagte Doyle entschieden.
    Tom
überlegte.
    »Harold
muss es erzählt haben«, sagte er traurig. »Nur er kommt in Frage. Aber selbst
dann weiß ich nicht, wie es zu den O’Byrnes gedrungen ist.«
    Er
sah, wie Doyle und MacGowan sich einen schnellen Blick zuwarfen. Er konnte
nicht einschätzen, was sie wussten, doch ihm wurde klar, dass Doyle überall
Informanten hatte.
    »In
Irland gibt es keine Geheimnisse, Tidy«, sagte der Kaufmann.
    Sie
führten ihn hinaus, und er erhob keine Einwände mehr. Doyles Pferdekutsche
wartete draußen mit einem Diener, der die Zügel hielt. »MacGowan kümmert sich
um Euer Haus«, sagte der Kaufmann, als er Tom in den Wagen schob.
    Ein
Dutzend Leute hatten sich versammelt, und sie beobachteten vor allem Doyle. Als
der Kaufmann nach ihm in den Wagen stieg, schaute er finster und entschlossen
in die Runde, und sie senkten die Köpfe. Unweigerlich verspürte Tom Bewunderung
für diesen Mann: Seine Macht war augenfällig. Als der Wagen aus Dalkey
hinausfuhr und die Straße nach Dublin einschlug, musste er sich insgeheim
eingestehen, dass er erleichtert war.
    *
* *
    Es war fast
Mitternacht. Hoch oben verdunkelten hohe Wolken die Sterne; der schwarze
Schatten des Mondes hing unsichtbar in einer anderen Welt.
    Harold,
der neben Walsh auf der Burgmauer stand, erschien die Dunkelheit so still, so
dicht, dass man glauben könnte,Carrickmines wäre von
einer riesigen Auster umschlossen. Im Burghof unter ihnen standen die sechzig
Pferde eng aneinander gedrängt; ihr leises Schnauben und hin und wieder das Scharren
eines Hufs waren die einzigen Geräusche innerhalb der Mauern.
    Harold
blickte forschend auf die mit Felsen übersäte Ebene. Obwohl seine Augen sich
gut an die Finsternis gewöhnt hatten, und er hin und wieder in der Ferne vage
Umrisse erkannte, konnte er nicht das kleinste Anzeichen einer Bewegung
ausmachen. Er spitzte die Ohren, aber er hörte nichts. Sie schien fast
unnatürlich, diese durchdringende schwarze Stille. Er wartete gespannt.
    Und
trotz der Anspannung schweiften seine Gedanken ein–, zweimal ab. Er musste
plötzlich an seine Familie denken. Er tat dies schließlich für sie. Und wenn
ich heute Nacht ums Leben komme, dachte er, dann wird es ein notwendiges Opfer gewesen
sein. Er erinnerte sich an die Gespräche mit dem Justiziar und mit Tom Tidy.
Der Mann aus Dalkey war auf seine Art sehr tapfer gewesen. Harold war froh,
dass der Justiziar ihn nicht gezwungen hatte, seine Informationsquelle
preiszugeben, so dass es ihm möglich war, den Mann aus Dalkey zu

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