Die Prinzen Von Irland
Gast
aufdrängte, und all das wegen einer Drohung, die vielleicht nicht einmal ernst
gemeint war. Er schüttelte traurig den Kopf. Heute konnte er nicht besonders
stolz auf sich sein. Ihn beschlich der Gedanke, sein Verhalten sei ziemlich
verachtenswert.
Eine
halbe Stunde später waren die Dubliner MacGowans überrascht, als Tom Tidy ihnen
mitteilte, er werde nicht bleiben. Am späten Nachmittag rumpelte sein Wagen
wieder an Harold’s Cross vorbei zurück. Und es blieben noch immer einige
Stunden Tageslicht, als Michael MacGowan erschrocken Tom Tidy die Straße
heraufkommen sah. Er rannte ihm entgegen, und schon hörte er aus Toms
glücklichem Gesicht die Neuigkeit.
»Ich
habe es mir anders überlegt. Ich bleibe hier.«
»Das
kannst du nicht«, brüllte MacGowan. Doch Tom war schon an ihm vorbeigerollt.
Als
die Abenddämmerung einsetzte, tat MacGowan alles, was in seiner Macht stand, um
seinen Freund davon zu überzeugen, dass er wieder wegfahren müsse. »Warum,
verdammt noch mal, willst du dich grundlos in Gefahr begeben?« Doch Tom war
unnachgiebig, und MacGowan verbrachte eine schlaflose Nacht. Vor Morgengrauen
bestieg er sein Pferd und ritt aus Dalkey hinaus. Als er durch das erste graue
Licht galoppierte, hallten in seinem Ohr kalte Worte aus einem kürzlich
geführten Gespräch wider.
»Er
muss weg, MacGowan. Oder sonst…«
»Das
ist mir bewusst«, hatte er entgegnet. »Aber ich werde ihn nicht töten.«
»Man
wird dich nicht darum bitten, aber die O’Byrnes könnten es tun«, hatte die
Stimme ruhig erwidert. »Bring ihn dazu, dass er Dalkey verlässt.«
Sie
kamen nicht in Gruppen, sondern einzeln und führten ihre Pferde, deren Hufe mit
Sackleinen umwickelt waren, durch die Dunkelheit, so dass man sie weder sehen
noch hören konnte. Selbst die Sterne waren hinter einer Wolkendecke versteckt.
Auf diese Weise traten mitten in der Nacht die Schwadron aus Dalkey, Harolds
Männer und all die anderen – insgesamt sechzig berittene und ebenso viele
Fußsoldaten – durch das Tor von Carrickmines und verschwanden in der Burg wie
gespenstische Krieger in einem magischen Berg.
Als
der Morgen graute, sah Carrickmines ganz genauso aus wie zuvor. Das Tor war
geschlossen, doch das war nicht ungewöhnlich. Im Inneren der Burg
zusammengepfercht, machten die Pferde manchmal leise Geräusche, die die dicken Steinmauern
aber nicht nach draußen dringen ließen. Im Laufe des Vormittags erschien Walsh
mit seinem Falken auf der Burgmauer. Er ließ ihn zum Himmel aufsteigen, wo er
eine Zeit lang herumflog, bis er zurückkehrte. Das war die einzige Bewegung an
jenem Morgen auf der Burg von Carrickmines.
Als
Walsh am selben Nachmittag alleine auf die Mauer ging, meinte er, ein bisschen
südlich das Mädchen versteckt zwischen den Felsen zu sehen. Sie würde kaum
ahnen können, dass Carrickmines voll Soldaten war. Nach einer Weile stieg er
wieder hinab. Damit alles normal wirkte, öffnete er das Tor und schickte einen
Karren, den einer seiner Männer lenkte, hinüber zum Nachbarhof. Er sollte
später mit einigen Lebensmitteln zurückkehren. In der Zwischenzeit stand das Tor
halb offen, und zwei seiner Kinder spielten draußen und übten Hurling. Sie
sprangen auf den Karren auf, als er zurückkam und durch das Tor fuhr, das noch
eine Weile angelehnt blieb. Er wusste, dass das dunkelhaarige Mädchen alldies beobachtet haben musste. Denn nachdem die Kinder hereingekommen
waren, war er wieder auf die Mauer gestiegen und hatte gesehen, wie sie nun von
einem anderen, höher am Hang gelegenen Punkt alles aufmerksam beobachtete.
Als
er am frühen Abend erneut hinaufstieg, konnte er sie nicht entdecken und
schloss daraus, dass sie gegangen war.
»Ich
bin sicher«, sagte er zu Harold, nachdem er wieder hinuntergestiegen war, »dass
sie heute Nacht angreifen.«
*
* *
Etwas war seltsam in
Dalkey an diesem Tag. Tom spürte es sofort, als er auf die Straße ging. War es
nur in seiner Vorstellung? Er zog es in Betracht, natürlich. Aber er glaubte es
nicht. Tom war recht heiter gewesen, als er vor sein Haus getreten und die
Straße entlanggeschritten war. Er wünschte einem seiner Nachbarn einen guten
Morgen, so wie er es jeden Tag tat. Doch obwohl der Mann etwas entgegnet hatte,
meinte Tom in seinem Verhalten Verlegenheit zu spüren. Wenig später hatte er
einen der Fischer angetroffen, der vor seiner Hütte Netze flickte und ihn
befremdlich ansah; und als er weiterging, glaubte er deutlich wahrzunehmen, dass
man ihn von beiden
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