Die Prinzen Von Irland
ging zu Fuß durch das Südtor. Sie fragte sich, ob sie wohl einen Blick
auf ihren Mann erhaschen würde.
Walsh
war bei Morgengrauen aufgebrochen. Sie hatte eine Stunde gewartet, und nachdem
sie dem Diener gesagt hatte, sie käme am Abend wieder, war sie ihm ohne ein
Wort der Erklärung hinterhergeritten. Sie war gespannt, ob sie ihn wohl einholen
würde, doch er war zu schnell für sie. Wie sie bei ihrer Rückkehr erklären
würde, dass sie nicht zu Hause gewesen war, würde davon abhängen, was heute
geschah.
Sie
hatte überlegt, ob sie ihn wegen seiner Affäre mit Doyles Frau zur Rede stellen
sollte, hatte sich dann aber dagegen entschieden. Sie hatte keinen Beweis. Was
käme für sie heraus, wenn er leugnete? Ewige Unsicherheit. Manche Frauen, das wusste
sie, würden eine Affäre ignorieren, und zweifellos ließe es sich so leichter
leben. Aber Margaret glaubte nicht, dass sie dazu in der Lage wäre. Und sie
hatte auch keine Freundin, der sie sich anvertrauen könnte. Bei dieser
unerwarteten Krise in ihrem Leben sah sie sich ganz auf sich allein gestellt.
Also hatte sie beschlossen, ihm nach Dublin hinein zu folgen. Sie wusste, dass
es töricht war. Sie wusste, dass sie ihn vielleicht gar nicht zu Gesicht
bekäme. Und wenn sie ihn tatsächlich mit Doyles Frau sehen sollte, was würde
sie dann unternehmen? Auch das wusste sie nicht.
Wie
fröhlich die Menschen waren. Die bunte Menge strömte lachend und schwatzend
durch das Tor, währendMargaret, die ihr Haar unter einem
schwarzen Samthut versteckt hatte, mit ernstem, finsterem Blick von diesem
Strom mitgerissen wurde wie ein Stück Holz in einem Fluss. Sie gingen die Saint
Nicholas Street hinauf, vorbei an der Shoemaker Lane und von dort zu der großen
Weggabelung mit der High Street, wo man die großen Giebel des alten Tholsel sehen
konnte. Die Menge an der Kreuzung war zu dicht, um durchzukommen, doch zum
Glück ließen die Ordner eine Gruppe, zu der auch Margaret gehörte, über die
Straße in den Vorhof der Christ Church strömen, wo die Menschen mehr Platz
hatten zu stehen. Kurz darauf wurde die Straße wieder freigemacht. Der Festzug
näherte sich.
Eine
Gruppe berittener Männer, sergeants, Wachtmeister der Stadt, und anderer
Beamten führte ihn an. Es folgte eine Kapelle mit Flöten und Trommeln, und
schließlich tauchte der erste Festwagen auf.
Die
Handschuhmacher verhalfen dem Umzug zu einem gelungenen Auftakt. In der Mitte
ihres Festwagens ragte ein Baum aus bemaltem Holz mit grünen Blättern und
goldenen Äpfeln empor. Adam und Eva, beide von Männern dargestellt, trugen das
entsprechende Feigenblatt; Eva protzte mit riesigen Brüsten, hielt einen
goldenen Apfel von der Größe eines Kürbis in der Hand und vollführte unter
Hochrufen der Menge lüsterne Bewegungen; währenddessen schaute Adam düster
drein und rief von Zeit zu Zeit: »Oh törichtes Weib, was hast du getan ?« Die
Schlange – ein großer, dünner Mann, der eine kunstvolle Kopfbedeckung trug –
wand sich mit Hilfe einer Schnur hin und her oder ließ ihren Kopf in Richtung
der Zuschauer vorschnellen.
Mit
einem bitteren Lächeln sah Margaret den Wagen vorbeiziehen. Sie schob sich
langsam durch das Gedränge nach Osten vor. Ein anderer Festwagen rumpelte
heran: Kain und Abel. Kurz darauf hatte sie einen Platz auf einer niedrigen Mauer
gefunden und genoss die freie Sicht über die Köpfe derZuschauer
auf die Torwege der Häuser der gegenüberliegenden Straßenseite.
Der
Abschnitt der High Street gegenüber der Kathedrale hieß Skinners Row. Ihre
hochgiebligen Häuser waren die Dubliner Stadthäuser des hohen und niedrigen
Adels, darunter auch das der Butlers. Andere gehörten reichen Kaufleuten. Ratsherr
Doyle war nach seiner Hochzeit von der Winetavern Street hierher gezogen. Die
mit Holz verkleideten Stockwerke, die über die Straße kragten, boten perfekte
Emporenplätze, um den Festzug zu sehen, und in allen Fenstern drängten sich
Menschen. Margarets Platz befand sich gegenüber von Doyles Haus, das vier
Stockwerke hoch war und ein Schieferdach hatte.
Margaret
schaute zu den Fenstern hinauf, sah die Gesichter von Doyles Dienern, Kindern
und Freunden. Im größten konnte sie Doyle selbst und seine Frau Joan erkennen.
War auch ihr Mann da drinnen? Ihn sah sie nicht.
Die
Festwagen zogen vorbei: Noah und seine Arche, der ägyptische Pharao und sein
Heer, verschiedene Krippenszenen und Pontius Pilatus mit seiner Frau. Jetzt
verschwand Doyles Gesicht vom Fenster, und als König
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