Die Prinzen Von Irland
Geschichte
zurück und war bei den Adelsfamilien noch immer sehr lebendig. Schickte man
sein Kind in das Haus eines großen Stammesoberhaupts, bot man ihm einen gesellschaftlichen
Aufstieg; und vertraute eine bedeutende Familie einem ihren Sohn an, bedeutete
dies ein großes Kompliment. Da Eva vermutete, ihr Mann tue einer ärmeren Familie
einen Gefallen, war sie nicht überglücklich; doch Sean grinste nur.
»Es
ist ein Fitzgerald. Ein Verwandter von Desmond«, teilte er ihr mit.
Ein
Fitzgerald, verwandt mit dem mächtigen Grafen von Desmond. Zwar ein recht
entfernter Verwandter aus einem niedrigeren Zweig der Fitzgeralds aus dem Süden
– aber immerhin ein Fitzgerald.
»Wie
hast du das zuwege gebracht?«, fragte sie ihn mit freimütiger Bewunderung.
»Es
muss an meinem Charme liegen.« Er lächelte. »Es ist ein netter Junge. Du hast
nichts dagegen?«
»Für
Fintan wäre es wundervoll, einen solchen Freund zu haben«, entgegnete sie.
»Lass ihn kommen, sobald er möchte.«
Er
kam im nächsten Monat. Sein Name war Maurice. Er war genauso alt wie Fintan,
jedoch dunkelhaarig – während Fintan blond war –, dünner und größer, mit feinen
keltischen Gesichtszügen, die daran erinnerten, dass die Fitzgeralds irische
Fürsten und ebenso englische Adlige waren, und mit wunderschönen Augen, die sie
sonderbar bezwingend fand. Er war sehr höflich und meinte, ihr Haus sei genau
wie das seiner Eltern, »… außer dass unseres an einem Fluss steht«. Er war zwar
dünn, aber athletisch, er konnte mit Vieh umgehen und schlüpfte als
anspruchsloser Freund offenbar leicht in Fintans Leben hinein. Aber ihm war
anzumerken, dass er aus aristokratischem Hause kam. Sein Benehmen war sehr zurückhaltend
und höfisch. Er sprach sie immer mit »Lady O’Byrne« an; er gehorchte ihrem Mann
respektvoll aufs Wort und sagte öfter »bitte« und »danke«, als sie es gewohnt
waren. Er konnte auch beträchtlich besser lesen und schreiben als Fintan,
außerdem spielte er Harfe. Doch vor allem zeichnete ihn eine Feinheit aus, die
sie kaum in Worte fassen konnte; und heimlich gestand sie ihrem Mann: »Ich
hoffe, Fintan wird viel von ihm lernen.«
Die
beiden Jungen wurden gute Freunde. Nach einem Jahr waren sie wie Brüder, und
Eva dachte an Maurice wie an einen zusätzlichen Sohn. Sean war ein guter
Pflegevater. Er sorgte nicht nur dafür, dass der Junge alles lernte, was es
über Landwirtschaft und die Besonderheiten der Wicklow–Berge und der Liffey–Ebene
zu wissen gab. Sondern er schickte ihn auch manchmal mit MacGowan, dem
Grauhändler, auf Besuch zu anderen Höfen, in Häuser von Leuten wie den Walshs oder
auch nach Dalkey oder sogar nach Dublin.
Eva
hatte angenommen, der Junge wolle bei einer dieser Gelegenheiten vielleicht
auch seine Kildare– Verwandten
kennen lernen. Doch Sean hatte ihr erklärt, dies wäre wegen des Verdachts, der
seit kurzem auf dem Grafen von Desmond lastete, womöglich nicht so klug. »Seine
Eltern werden es inWege leiten, wenn sie es für richtig
halten. Es ist nicht an uns, ihn mit seinen Verwandten bekannt zu machen.« Und Maurice
schien völlig zufrieden mit dem ruhigen Leben im Hause der O’Byrnes.
Dennoch
war er auf merkwürdige Weise auch ein Einzelgänger. Es war nicht allein seine
Liebe zur Musik – wenn er seine Harfe spielte, schien er manchmal in eine Art
Traum zu gleiten. Es war nicht allein seine Fähigkeit, Geistiges zu durchdringen
– Vater Donal, der beide Jungen unterrichtete, bemerkte manchmal versonnen: »Es
ist ein Jammer, dass er nicht den Wunsch hat, Priester zu werden.« Sondern es
waren seine melancholischen Anwandlungen. Er hatte sie selten, aber wenn sie
ihn befielen, wanderte er alleine in die Berge und blieb etwa einen Tag fort,
dabei schritt er nicht kräftig aus wie Sean, sondern wandelte vor sich hin wie
in Trance. Selbst Fintan wusste, dass er ihm an solchen Tagen besser nicht anbot,
ihn zu begleiten, sondern ließ ihn allein, bis seine Stimmung abgeklungen war.
Und wenn er dann wieder auftauchte, wirkte er erfrischt. »Du bist sonderbar«,
sagte Fintan dann liebevoll zu ihm. Und als der Mönch ein, zwei Mal auf seinem
Weg nach Glendalough, wo er den Eremiten besuchte, bei ihnen Halt gemacht
hatte, erstaunte es niemanden, dass er stundenlang mit dem Jungen dasaß und ihm
zum Abschied seinen Segen gab.
Nichts
von all dem schien die Freundschaft des jungen Fitzgerald zu Fintan gefährden
zu können. Sie arbeiteten zusammen, gingen gemeinsam auf die Jagd und
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