Die Prinzen Von Irland
dieser
warmen Septembertage, an denen sich ein weiter blauer, wolkenloser Himmel über
die Berge spannte und der große Hang sich bis in die Ebene hinunter erstreckte,ehe er sich im Dunst verlor. Eine Spur von Rauch lag in
der Luft.
Nachdem
sie ihre Hausarbeit erledigt hatte, ging Eva in den kleinen Obstgarten, klaubte
die heruntergefallenen Äpfel auf und trug sie in den Lagerraum. Maurice
kümmerte sich um das Vieh. Die Herde war vom Berg heruntergekommen und graste
nun. Ein alter Viehhirte, Seamus’ Frau und ihre kleinen Kinder halfen ihm. Ein
Stalljunge und drei Frauen, die im Haus arbeiteten, Vater Donal mit seiner
Familie und der alte Barde waren ansonsten die einzigen Leute an diesem Tag in
Rathconan.
Am
Nachmittag saß Eva im Obstgarten und fragte sich gerade, was Sean wohl tat, als
sie ein Rufen hörte. Maurice rannte auf sie zu, gefolgt von Vater Donal und dem
alten Barden.
»Truppen!«,
rief Maurice. »Butlers Männer. Sie kommen das Tal hinauf.«
Kurz
darauf sah sie eine Gruppe von Männern, manche zu Pferde, andere zu Fuß, auf
Rathconan zukommen. Sie waren höchstens noch zwei Meilen entfernt.
»Ich
habe unsere Pferde gleich bereit«, sagte ihr Maurice. »Dann müssen wir in die
Berge reiten.«
»Aber
sie werden unser Vieh stehlen«, meinte Eva.
»Ich
weiß.« Der Junge sah darüber nicht sehr glücklich aus. »Aber so sind die
Anordnungen deines Mannes.« Er schwieg einen kurzen Moment. »Vielleicht können
wir dich und die Frauen an einen sicheren Ort bringen, Vater Donal bleibt dann
bei Euch, und die Männer und ich…«
Es
waren etwa zwanzig bewaffnete Männer, die auf das Gehöft zuritten. Schlug
dieser tapfere, hübsche Junge wirklich vor, sie mit Unterstützung des alten
Hirten, des Stalljungen und des Barden aufhalten zu wollen? »Nein«, sagte sie. »Wir
bleiben alle zusammen.« Aber es war schrecklich, das Haus und die Herde den
Angreifern überlassen zu müssen.
Das
Vieh bedeutete ihnen Wohlstand, Lebensunterhalt und gesellschaftliche Stellung.
Tief in ihrem Inneren – Generationen ihrer Vorväter waren Viehzüchter – stieg
Zorn auf. Sean hatte die Herde allein gelassen, doch Eva wollte wenigstens einige
Tiere retten. Könnte sie die Herde vielleicht teilen und einige Kühe
verstecken? Und plötzlich erinnerte sich Eva an etwas, das sie in ihrer
Kindheit gesehen hatte, und ihr kam eine Idee. Sie war gewagt und gefährlich.
Und Geschicklichkeit war auch gefordert. Eva sah Maurice Fitzgerald an.
»Willst
du mit mir etwas versuchen?«, fragte sie ihn. »Es ist riskant, und wenn es
nicht klappt, bringen sie uns womöglich um.« Dann erklärte sie ihm, was getan
werden müsste.
Wie
merkwürdig, dachte sie, während sie sein Gesicht beobachtete. Kurz zuvor hatte
der hübsche, dunkelhaarige Junge, zerrissen zwischen seinem Wunsch, etwas zu
unternehmen, und seiner Pflicht, Seans Anweisungen zu folgen, noch ängstlich
gewirkt. Doch jetzt, als er ihrem Vorschlag lauschte, der sie alle das Leben
kosten könnte, sah er ganz entspannt aus. Seine Augen leuchteten auf. Ein
Gesichtsausdruck, den sie ein, zwei Mal bei ihrem Mann in seiner Jugend gesehen
hatte, zeigte sich plötzlich in Maurices Zügen – ein Blick, der verwegene
Aufgeregtheit ausdrückte. Ja, dachte sie, diese Fitzgeralds waren richtige
Iren.
»Hör
zu«, sagte sie. »Ich sage dir jetzt, was wir tun müssen.«
*
* *
Während der Stoßtrupp
sich Rathconan näherte, befanden sich Sean O’Byrne und seine Männer hoch in den
Bergen und weit im Süden. Die Gruppe bestand aus elf Reitern. Alle waren
bewaffnet, auch Fintan.
Sie
würden bei Dunkelheit angreifen und den Überraschungseffekt auf ihrer Seite
haben; es gab ein genau abgestecktes Ziel; und es war sehr
gut möglich, dass ihre Beute nur von zwei, drei Männern begleitet würde. Die
Hauptsache war, vor Einbruch der Dunkelheit den richtigen Ort für einen Hinterhalt
zu finden und den Pferden eine Erholungspause zu gönnen. Er dachte an ein
bestimmtes beschauliches Fleckchen an der Straße nach Dalkey, das von Bäumen
geschützt war.
Es
hatte Sean schon sehr überrascht, als Margaret Walsh plötzlich bei ihm
aufgetaucht war. Er konnte sich nur daran erinnern, wie sie damals verängstigt
dagestanden hatte, als er ihrem Mann, dem Anwalt, den Eid abgetrotzt hatte;
doch damals hatte er auf sie nicht so sehr geachtet. Nun war sie zu ihm
gekommen mit dem Vorschlag, er solle die Frau des Ratsherrn entführen. Warum
sie so etwas tue, hatte er sie gefragt. Weil sie ihre Gründe
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