Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
die Zeit
gehabt, die eine oder andere Seite zu erreichen. Sie machten kehrt, wollten
fliehen, doch die Herde war bereits bei ihnen. Es gab einen Knall, ein Krachen,
ein schreckliches Getöse.
    Eva,
die mit ihrem Pferd bei den Bäumen stand, sah, wie die galoppierende Wand aus
Vieh in die Männer hineinraste. Sie sah ein Schwert durch die Luft fliegen,
hörte einen Schreiund das Wiehern der Pferde; und dann
nur noch die wallende Wand aus Vieh, wie ein Fluss bei Hochwasser. Hinter sich,
ebenfalls zu Pferde, hörte sie den alten Barden wie ein aufgeregtes Kind
jauchzen und lachen; und drüben auf der anderen Seite nahe der Mauer konnte sie
Maurice mit hoch angespanntem Gesicht und leicht geröteten Wangen sehen, der mitten
in die Herde hineinritt. Wie schön er aussah, wie unerschrocken er war. Einen
Moment lang nur wusste sie, dass sie halb in ihn verliebt war. Vielleicht war
sie in all der hitzigen Aufregung wieder zur jungen Frau geworden; und in der herrlichen
Illusion des Augenblicks kam es ihr so vor, als verkörpere der junge Aristokrat
das, was ihr Mann in den Jahren ihrer Jugend vielleicht hätte sein können, wenn
er eleganter gewesen wäre.
    Die
Rinder waren jetzt über die Angreifer hinweggestürmt und donnerten nun den Hang
hinab. Maurice bahnte sich einen Weg zu ihnen und bewegte sie geschickt zum
Umkehren. Hinten, wo der Stoßtrupp gewesen war, bot sich ein Gemetzel.
    Wären
die Männer zu Pferde schneller gewesen, hätten sie nicht gezögert, sondern auf
der Stelle kehrtgemacht, dann hätten sie vielleicht eine Chance gehabt. Einige
Reiter hatten es versucht, doch zu spät, sie waren entweder mit ihresgleichen
oder mit den Fußsoldaten zusammengeprallt. Die gewaltige Kraft der Herde war
auf die Pferde getroffen oder hatte sie von hinten überrannt, sie zu Fall
gebracht und dann in die Erde getrampelt. Von den Fußsoldaten war noch weniger
übrig geblieben. Egal ob Männer zu Pferde, einfache kerne oder mächtige gallowglasses: die Herde war über sie alle
hinweggestürmt. Arme, Beine, Schädel und Brustbeine waren gebrochen und
zerschmettert, die Körper zerfetzt oder zu Brei getreten. Die großen Äxte der gallowglasses lagen da mit zerborstenem Schaft, ihre
Schneiden nutzlos.
    Das
Vieh in Panik zu versetzen war eine irische Strategie,die
so alt war wie die Berge. Ein einziges Mal hatte Eva in ihrer Kindheit
beobachtet, wie sie angewandt wurde, aber sie hatte es nie vergessen; und da
alle in Rathconan wussten, wie man Vieh treibt, war es für sie nicht allzu
schwierig gewesen, auch wenn sie nur so wenige waren, eine Herde von
dreihundert Tieren in wilder Flucht davonstürmen zu lassen.
    Nun
kam Seamus’ Frau herüber. Sie hatte die Tiere von hinten angetrieben. Auch die
Frauen aus dem Haus kamen und betrachteten die Soldaten; die meisten waren
bereits tot. Andere stöhnten. Einer der großen Söldner versuchte gar, auf die
Füße zu kommen. Die Frauen wussten, was zu tun war. Auf ein Nicken von Eva
zogen sie ihre Messer, gingen von Mann zu Mann und schnitten ihnen die Kehle
durch. Eva stieg ab und tat dasselbe mit den bedauernswerten Pferden. Es war
eine blutige Angelegenheit, doch sie war siegestrunken; sie hatte alle gerettet.
Und als Maurice gerade in dem Moment zurückkam, als sie fertig war, warf auch
er ihr einen Blick voll Triumph, Liebe und Freude zu.
    * * *
    Kurz vor Einsetzen
der Abenddämmerung hatte Sean O’Byrne den Ort gefunden, den er gesucht hatte.
Die Männer waren sorgfältig postiert. Fintan und er würden vorpreschen und geradewegs
auf Dame Doyle zuhalten, während die anderen, von Seamus angeführt, ihre
Begleiter abdrängen sollten. Er hatte seine Männer angewiesen, nur mit der
flachen Seite ihres Schwerts zuzuschlagen, es sei denn, sie träfen auf
ernsthaften Widerstand. Mit Glück könnten sie ihre Aufgabe erfüllen, ohne
jemanden töten zu müssen. Vor allem um MacGowan machte er sich Sorgen. Walshes
Frau hatte versichert, dass der Grauhändler Dame Doyle nach Dalkey geleiten würde,
und O’Byrne konnte sich nicht vorstellen, dass er sie kampflos hergeben würde.
Er mochte MacGowan, und es täte ihm Leid, ihn zu verletzen; doch im
Zweifelsfall könnteer daran nichts ändern. Das Spiel
hatte seine Regeln; das Übrige war dem Schicksal überlassen.
    Es
war dunkel geworden. Der Halbmond warf ein fahles Licht durch die Bäume auf die
Straße. Die Zeit verging, und noch immer keine Spur von ihnen. Sean wartete
weiterhin geduldig. Vielleicht hatten sie sich verspätet. Eine

Weitere Kostenlose Bücher