Die Prinzen Von Irland
weitere Stunde verstrich,
und allmählich bekam er Zweifel, als er plötzlich etwas hörte. Schritte. Sogar
recht viele. Das war sonderbar. Er hatte vermutet, die Gruppe käme zu Pferde.
Er raunte seinen Männern zu, sich bereitzuhalten. Er hörte, wie sie aufsaßen.
Er spürte, wie sein Körper sich erwartungsvoll spannte. Dann sah er im
Mondlicht die Gruppe um die Wegkrümmung kommen.
Es
waren nur zwei Reiter: MacGowan und die Frau ritten vorweg. Zwanzig Mann
marschierten hinter ihnen her. Sie waren eine bunte Mischung: bewaffnete
Städter, normale Soldaten; sogar Brennan, mit einer langen Pike bewaffnet, war darunter.
Doch vor allem die acht Männer, die vorwegmarschierten, erregten seine
Aufmerksamkeit. Er starrte sie ungläubig an. Gallowglasses. Sie hatten riesige Äxte und Schwerter
um die Schulter gehängt. MacGowan musste sie angeheuert haben. O’Byrne fluchte
leise und zögerte.
Sollten
sie dennoch angreifen? Zahlenmäßig waren sie ungefähr gleich stark, doch jeder gallowglass wog zwei oder drei seiner ungeübten
Männer auf. Er wollte kein Risiko eingehen.
Er
spürte einen Rippenstoß. Fintan.
»Reiten
wir denn nicht los?«, flüsterte der Junge.
»Gallowglasses«, raunte er zurück .
»Aber
sie sind doch zu Fuß. Wir können zwischen ihnen hin und wieder zurückreiten,
die kriegen uns nie.« Das klang vernünftig. Er verstand genau, was sein Sohn
dachte. Doch Fintan begriff nicht. Sean schüttelte den Kopf.
»Nein.«
»Aber
Vater…« Darin war nicht nur eine Spur Enttäuschung, sondern sogar ein Vorwurf.
Wie konnte sein Vater ein solcher Feigling sein.
»Sieh
her.«
Sean
konnte kaum glauben, was nun geschah: Fintan gab seinem Pferd die Sporen, brach
aus der Deckung hervor und preschte im Mondlicht auf die Soldaten zu. Da sie
dachten, das Zeichen wäre gegeben worden, brachen auch Seamus und die übrigen
Männer hervor. MacGowan und die Frau waren stehen geblieben. Die gallowglasses hatten rasch einen Schutzring um sie
gebildet. Es war zu spät. Sean blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls
loszugaloppieren. Er stürmte auf die schottischen Söldner zu, um seinem Sohn zu
helfen. Vielleicht hatte der Junge ja Recht.
*
* *
Es waren nur einige
Stunden vergangen, doch schon schien ihr Kampf mit den gallowglasses eine Ewigkeit zurückzuliegen, so als
habe er in einer anderen Welt stattgefunden. Das war das Merkwürdige an einem
Gefecht. Er erinnerte sich nicht nur an den Kampf, sondern auch an das Bild,
wie Fintan, nachdem er MacGowan vom Pferd gestoßen hatte, die Arme ausstreckte
und versuchte, Dame Doyle zu greifen; und dann an das Gefühl, wie der Junge ganz
nah neben ihm dahinfegte, als sie alle hastig davongaloppierten. Sie hatten
vier Männer auf der Straße bei den schottischen Söldnern zuriicklassen müssen.
Selbst im Mondlicht hatte er an ihren Wunden erkennen können, dass sie bereits
tot waren oder im Sterben lagen. Er erinnerte sich, wie sie den Hang hinaufgejagt
waren, mit den wilden Flüchen der gallowglasses im Rücken, wie Seamus zu ihm
aufgeschlossen und Fintan für seine Verwegenheit freundlich angelächelt hatte.
Dann war Fintan in sich zusammengesackt.
Die
Sterne verblassten allmählich, als sie die dunklen Konturen
der Berggipfel hinter sich ließen und den langsamen Abstieg nach Rathconan
begannen.
Und
im Osten über dem Meer stieg bereits die Sonne auf, in deren grellem Licht die
Hänge und Felsspalten der Wicklow–Berge aufleuchteten, als Sean O’Byrne und
seine Leute das Haus erblickten. Lange bevor sie es erreichten, waren Eva,
Maurice und der alte Vater Donal schon mit breitem Lächeln vor die Tür
getreten, bis sie sahen, dass die Männer keine Trophäe, keine Gefangenen,
sondern nur ein Bündel mitbrachten, in eine Decke gewickelt und an sein Pferd
gebunden: Fintan. Er war in den Bergen an der tiefen Wunde, die Sean erst nicht
bemerkt hatte, verblutet; sie rührte nicht von einem großen zweischneidigen Schwert
der Schotten, sondern von Brennans langem Speer, der wie eine dunkle Spitze
Fintans Rippen durchstoßen hatte, als er nach Joan Doyle greifen wollte.
*
* *
Am späten Vormittag
desselben Tages ritt Margaret zum Treffpunkt oben in den Bergen, wo Sean O’Byrne
ihr die Neuigkeiten von der Unternehmung in der vorigen Nacht berichten wollte.
Sie wartete den halben Nachmittag, doch er kam nicht. Sie war schon fast
versucht, hinunter nach Rathconan zu reiten, kam dann aber zu dem Schluss, das
Risiko sei zu groß. Gegen Abend war sie froh, dass sie es nicht
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