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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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manchmal verlor er restlos das
Bewusstsein seines Ichs und stand in Trance da und pflegte wie der Dichter
Amairgen still für sich die Verse zu sprechen:
    »Ich bin Wind auf
Meer , ich bin Ozeanwoge.«
     
    Damit ging der Herbst
in einen milden Winter und der Winter in den Frühling über. Und dann, gegen
Ende des Frühlings, sagte Deirdre ihm, sie sei schwanger.
    * * *
    Im
Mittsommer nach Finbarrs Rückkehr sah alles danach aus, als würde es eine gute
Ernte geben. Überall auf der Insel reifte das Korn. Das Wetter war herrlich.
Lughnasa kam, und unmittelbar darauf brach der Hochkönig zu einer Rundreise
durch Leinster auf. Er hatte gerade sein Lager in der Nähe der
Slieve–Bloom–Mountains aufgeschlagen, als die große Finsternis hereinbrach.
    Larine würde sich
stets daran erinnern, wie alles begann. Bereits bei Sonnenuntergang hatte er
die langen Wolkenbänke bemerkt, aber erst als er mitten in der Nacht erwachte,
war ihm aufgefallen, dass die Sterne erloschen waren. Dann kam das Ende der
Nacht, aber es blieb weiterhin dunkel.
    »Die Dämmerung«,
nannten es die Leute später, »die keine Dämmerung war.« Den ganzen Vormittag
über blieb der Himmel nicht grau, sondern schwarz. Dann wurde er braun, es
begann zu regnen. Ein gewaltiger Wolkenbruch, anders als jeder Wolkenbruch, den
er je zuvor erlebt hatte – er dauerte ganze sieben Tage. Jeder Fluss wurde zu
einem reißenden Strom, jede Uferau zu einem breiten See. Schwäne glitten über
die Wiesen, und auf den Feldern, die sich in morastige Sümpfe verwandelten,
standen nur noch die umgeknickten und aufgeweichten Halme der zerstörten Ernte.
Der Hochkönig zog nordwärts nach Ulster.
    Anfang September
befahl er Larine zu sich. Der Druide fand ihn völlig niedergeschlagen vor.
    »Drei Ernten
verloren, Larine. Und mir persönlich geben sie die Schuld.« Der Hochkönig
schüttelte den Kopf und verfiel wieder in Schweigen.
    »Was wünscht Ihr?«,
fragte der Druide.
    »Als Conall mir
Schande machte…«, begann der König schwer und seufzte auf. »Dagda, sagen die
Leute, pflegt Könige zu bestrafen, die verspottet werden. Ist das wahr?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich muss ihn finden,
Larine. Aber meinen Männern ist es nicht gelungen. Finbarr hatte keinen Erfolg.
Keiner der Druiden oder der filidh kann mir sagen, wo
er steckt.«
    Larine war zutiefst
erleichtert gewesen, dass der Hochkönig Finbarr für sein Versagen nicht, wie
angedroht, getötet hatte. Larine hatte Gelegenheit gehabt, Finbarr nach seiner
Rückkehr über den Verlauf der Reise auszufragen; aber auch nach diesem Gespräch
hatte er keinen rechten Verdacht, keine Ahnung, wo sich sein Freund Conall
aufhalten könnte.
    Der Hochkönig starrte
düster unter seinen schweren Brauen hervor. »Könnt Ihr es mir nicht sagen,
Larine?«
    »Ich will es
versuchen«, versprach der Druide und zog sich zurück.
    Er musste warten,
denn mehrere Tage waren im Kalender des Druiden als ungünstig für Rituale
dieser Art gekennzeichnet. Aber sobald die Zeit günstig war, machte er sich
bereit.
    Die heiligen Männer
der keltischen Welt bedienten sich vieler Methoden, um in die Zukunft zu
blicken. Sie nannten es imbass – göttliche
Weissagung. Der Lachs, so glaubte man, konnte prophetische Gaben vermitteln.
Raben konnten sprechen, wenn man wusste, welche Bannsprüche dazu zu verwenden
waren, und es verstand, ihnen zuzuhören. Selbst gewöhnliche Menschen waren
zuweilen in der Lage, Stimmen aus dem Meer zu hören. Aber die Methode, die von
der Kaste der Eingeweihten besonders geschätzt wurde, war das Kauen. Manche
Druiden erlangten visionäre Kräfte, indem sie einfach an ihrem Daumen kauten;
aber dies war nur ein flüchtiger Ersatz der eigentlichen Methode, die nur eine
Variante einer der ältesten Zeremonien war, die die Menschheit kannte: das
Einnehmen eines heiligen Mahls.
    An dem betreffenden
Tag stand Larine auf, wusch sich sorgfältig und legte seinen druidischen
Federmantel an. Er verbrachte eine Weile im Gebet und versuchte dabei seinen
Geist von allem zu leeren, was den Empfang von egal welcher Botschaft
beeinträchtigen konnte, die die Götter ihm zu senden beliebten. Danach begab er
sich zu der kleinen Hütte, in der er in der Nacht davor alles Nötige
vorbereitet hatte. Zwei weitere Druiden bewachten den Eingang, um dafür zu
sorgen, dass niemand das heilige Ritual störte.
    In der Hütte befanden
sich nur ein kleiner Tisch und drei Gestelle. Auf einem stand eine kleine Figur
des Sonnengottes Dagda, auf dem

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