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Die Prinzen Von Irland

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Titel: Die Prinzen Von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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sich an der östlichen Küstenlinie der
Insel entlangzog und in den prächtigen Höhen der Wicklow–Berge gipfelte.
    »Während unsere
Verfolger noch jeden Hügel und jedes Tal im Südwesten absuchen, könnten wir bereits
dort oben sein«, gab sie zu bedenken. Es war ein schlaues Täuschungsmanöver –
zu genau den Küstenregionen zurückzukehren, aus denen sie geflohen waren –, und
es schien äußerst unwahrscheinlich, dass jemand das vorhersehen würde. Ihr
zweiter Vorschlag war nicht minder überraschend: »Wir sollten die Pferde
zurücklassen und zu Fuß weiterziehen.« Niemand würde nach einem Prinzen
Ausschau halten, der zu Fuß durch die Gegend wanderte. Und dann machte Deirdre
zwei weitere Vorschläge, die ihn noch mehr verblüfften.
    So wurde es Mitte
Juni, als ein einsamer Druide, der sich auf einen Wanderstab stützte, und ein
junger Diener, der einige Schritte hinter ihm ging, in der Abenddämmerung von
den Wicklow–Bergen herabstiegen und die Landstraße betraten, die zu der Furt
von Ath Cliath bei Dubh Linn führte. Fergus und seine Söhne waren, wie Deirdre
ihm vorausgesagt hatte, außer Haus und mit ihrem Vieh weit weg auf den Weiden.
Es war tiefe Nacht, als sie, ein gutes Stück weit den Rath umgehend für den
Fall, dass es Hunde in der Nähe gab, den hölzernen Knüppeldamm über die flachen
Uferwasser des Liffey überquerten. Deirdre fiel auf, dass die verrotteten
Wegplanken noch immer nicht ersetzt worden waren. Sie zogen weiter in Richtung
der großen Ebene der Vogelscharen.
    Bisher war ihr Plan
aufgegangen. Als Conall sich auf ihren Vorschlag hin bis zum Scheitel hinauf
eine Druidentonsur geschoren hatte, musste sie über das Ergebnis heimlich
lachen. Als sie sich wiederum ihren Kopf wie ein Sklave kahl rasierte, brach er
in schallendes Gelächter aus. Sie hatte ihn gefragt, ob sie der Verlust ihres
prächtigen blonden Haars für ihn weniger begehrenswert machen und ihr
Liebesspiel hemmen würde, in dem sie sich seit jenem Nachmittag an dem kleinen
Bergsee häufig vereinten. Schon wenige Augenblicke, nachdem sie die Haare
abgeschnitten hatte, konnte sie jedoch feststellen, dass dem nicht so war.
    Aber warum hatte sie
vorgeschlagen, dass sie sich ihr Versteck so nahe bei ihrem Elternhaus suchen
sollten? Sehnte sie sich wieder nach der Geborgenheit ihrer Kindheit und ihrer
Familie? Vielleicht. Als sie in der Dunkelheit am Rath ihres Vaters
vorüberkamen, fühlte sie einen stechenden Schmerz im Herzen. Sie wollte
hineinschleichen, den vertrauten Duft des Herdfeuers riechen, die bleiche
Kontur des alten Trinkschädels ihres Vaters auf seinem Wandbord sehen. Wenn
doch nur der stolze, leutselige alte Mann zu Hause wäre, so dass sie einander
in die Arme schließen könnten. Aber er war nicht da, und sie durfte das Haus
nicht betreten; und so konnte sie lediglich nach der schwachen Silhouette des
Rath spähen, als sie im Dunkeln daran vorüberkamen. Und doch war die Wahl ihres
Verstecks klug gewesen, denn keine Menschenseele verirrte sich jemals dorthin.
    Am ersten Tag ließ
Conall sie im Schutz der Dolmen oben auf dem Gipfel der Halbinsel im Norden der
Bucht zurück. Er ging den Strand entlang, aber er hatte kein Glück. Am zweiten
Tag kehrte er zurück und strahlte. Er war einer alten Witwe begegnet, die
allein in einer Hütte am Strand wohnte. Er hatte ihr erzählt, er sei ein Druide
ohne Anhang, der nach noch größerer Einsamkeit suche, hatte ihr im Einzelnen
seine Bedürfnisse beschrieben, und sie war glücklich, ihm das Gesuchte bieten
zu können: etwas zu essen, wenn er danach verlangte, und die Benutzung eines kleinen curragb – eines Bootes aus Weidengeflecht –, das einst ihrem Mann gehört hatte, der
Fischer gewesen war.
    Spät
in jener Nacht und so gut wie unbemerkt gingen Conall und Deirdre zum Strand
hinunter und setzten in dem Flachboot auf einem ruhigen und sternenbeschienenen
Meer zu der kleinen Insel mit dem gespaltenen Felsen über, die nördlich der
Halbinsel lag und die Deirdre so sehr liebte. Kein Mensch, so hoffte sie, würde
sie beide dort finden.

2
    Ein ganzes Jahr lang wurde die Suche
fortgesetzt. Spione des Hochkönigs überwachten die Hafen; gelegentlich suchten
sie heimlich sogar Fergus und seinen Rath auf, für den Fall, dass er dort seine
Tochter versteckte; aber jedes Mal kehrten sie zurück und berichteten: »Kein
Lebenszeichen.«
    Und seit einem Jahr
war auch Finbarr unterwegs.
    Tagein, tagaus bot
sich immer das gleiche Bild – Finbarr ritt voraus,

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