Die Prinzen Von Irland
Cuchulainn, der Jagdhund,
sprang neben ihm, dahinter die zwei Häuptlinge. Bald folgten sie verschlungenen
Pfaden, bald ritten sie auf einer der großen slige– Landstraßen. Es
konnte ein breiter Viehsteig über die Hochlandweiden, eine Schneise durch den
Wald oder ein kräftiger Holzdamm durch ein Moor sein, aber welches Gelände sie
auch vor sich hatten – die drei Reiter stürmten unbarmherzig voran. Sie
erkundigten sich in jedem Bauerngehöft; sie befragten die Schiffer auf allen
Flüssen. Sogar in der endlosen Wildnis im Innern der Insel war es nicht leicht,
sich in den Stammesgebieten zu bewegen, ohne einem Menschen zu begegnen.
Irgendjemand musste das Liebespaar doch gesehen haben. Aber nachdem die beiden,
wie die Männer des Königs berichtet hatten, ein einziges Mal in Munster
gesichtet worden waren, schienen sie wie vom Erdboden verschluckt zu sein.
Es war eine bittere
Zeit. Die Missernte des Vorjahres hatte dem Land noch keine Hungersnot
gebracht, weil die Häuptlinge jedes Gebietes für Abhilfe sorgten. Noch gab es
Milch und Fleisch, Gemüse und Beeren. Aber Hafermehl, Brot ond –nach der
Vernichtung der Gerste – auch Bier waren knapp geworden. In den meisten Fällen
hatten die Häuptlinge, so fiel Finbarr auf, in rücksichtsloser Weise Korn zur
Aussaat zurückbehalten. Alle hofften, dass der Hochkönig die Gunst der Götter
zurückgewann.
Direkt nach Lughnasa
hatte wieder Regen eingesetzt. Tag für Tag fegten Wolkenbrüche und heulende
Winde über das Land. Auch in diesem Jahr würde, so wurde bald allen klar, die
Ernte vernichtet werden. Und da er diesen schrecklichen Beweis für die
Missgunst der Götter sah, konnte Finbarr, so sehr er seinen Freund liebte,
nicht umhin, sich zu fragen, ob nicht die Demütigung des Hochkönigs durch
Conall der Grund dafür war.
Rastlos suchten
Finbarr und seine Begleiter die Küsten und Berge von Munster ab, sie
durchkämmten Leinster und zogen nordwärts nach Ulster. Bald fanden sie in einem
Bauernhof Obdach, bald nächtigten sie unter freiem Himmel und hörten die Wölfe
heulen. Sie durchstreiften die reichen Weidegebiete, in denen hohe Erdwälle und
tiefe Gräben die Grenzen zwischen dem Land des einen und des nächsten Stammes
markierten; sie wagten sich in die düsteren Moore hinein, in denen Leute in brannog –Siedlungen wohnten,
die auf hölzernen Pfählen und Plattformen im Wasser errichtet waren. Wo immer
sie fragten, war die Antwort die gleiche: »Hier haben wir sie nicht gesehen.«
Einmal, aber nur ein
einziges Mal, hatte Finbarr das Gefühl, als befänden die Abtrünnigen sich ganz
in der Nähe. Es war an der Ostküste gewesen, direkt oberhalb der Liffey–Bucht.
Dort war er an einem verlassenen Strand einer alten Frau begegnet und hatte sie
gefragt, ob sie irgendwelche Fremden gesehen habe.
»Nur einen Druiden«,
hatte sie gesagt, »der jetzt auf der Insel lebt.«
»Hat er irgendwelche
Gefährten?«, hatte Finbarr weiter gefragt.
»Nein. Keinen
einzigen. Er lebt völlig allein.«
Und doch hätte ihn
beinahe ein Instinkt dazu getrieben, der Insel einen Besuch abzustatten, aber
seine zwei Begleiter riefen ihm zu: »Los, Finbarr, komm weiter. Dort steckt er
nicht.« Und so waren sie wieder aufgebrochen.
Schließlich waren sie
nach Connacht mit seinen Bergen und Seen und seiner wilden Küste gelangt. Die
Leute haben Recht, dachte er, wenn sie Connacht das Land der Druiden nennen.
Und wenn er an die Liebe seines Freundes zur Einsamkeit dachte, hatte er das
Gefühl, als könnte er sich hier befinden. Und so suchten sie monatelang, fanden
aber nicht die geringste Spur von ihm. Eines Tages standen sie auf den
gewaltigen, kahlen und steil abfallenden Klippen von Moher und blickten auf das
aufgewühlte Meer hinaus, in dem irgendwo, wie es hieß, die Inseln der Seligen
lagen, wohin sich die Geister der großen Krieger zu ihrer ewigen Ruhe begaben.
Finbarr fragte sich gerade, ob sein Freund vielleicht gestorben war und sein
Geist sich auch dorthin zurückgezogen hatte, als einer seiner zwei Begleiter
meinte: »Es wird Zeit, dass wir umkehren, Finbarr.«
»Ich kann nicht«,
entgegnete er. »Ich habe ihn noch nicht gefunden.«
»Du kommst mit uns«,
sagte der andere. »Mehr kannst du nicht tun.«
Da wurde ihm bewusst,
dass es bereits ein Jahr her war, seit sie aufgebrochen waren.
*
* *
Manchmal
hatte Conall das Gefühl, als sei er nie zuvor glücklich gewesen. Sein Leben mit
Deirdre war für beide eine Offenbarung. Es dauerte nicht lange, bis sie
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