Die Prinzen Von Irland
selbst als irgendein anderer!
Der Grabhügel war nicht
weit entfernt. Er erhob sich auf einer Grasfläche ein Stück weit entfernt von
dem Sumpfgebiet, das sich flussabwärts hinter dem Zufluss des schwarzen Teichs
erstreckte. Als die Wikinger sie zum ersten Mal sahen, hatten sie diese Stelle Hoggen Green getauft, was so viel wie »Friedhof«
bedeutete; und wie es die Völker aus dem Norden häufig taten, wenn sie einen
heiligen Ort in der Nähe einer Siedlung fanden, benutzten sie Hoggen Green für
ihre Versammlungen, bei denen die freien Männer der Stadt zusammenkamen, um Rat
abzuhalten und um ihre Anführer zu wählen. Und so kam es, dass der Grabhügel,
der die letzte Ruhestätte des alten Fergus war, ausgebaut und als Plattform
verwendet wurde, auf der sich die Wikingerhäuptlinge zu treffen pflegten, um
ihre Versammlungen abzuhalten, während die Gräber seiner Nachkommenschaft,
darunter Deirdre sowie Morna und seine Kinder, allmählich im Boden versanken,
bis sie aus dem Rasen der Versammlungsstätte der Wikinger nicht mehr
herausragten. Da diese Versammlung als das »Thing« bezeichnet wurde, hatte das
Grab des alten Fergus in jüngster Zeit einen neuen Namen erhalten und wurde nun Thingmount genannt.
Und so standen die
beiden Kinder vor dem Thingmount und bereiteten sich auf ihre Hochzeit vor.
Diese Heirat war, wie sie beide wussten, zulässig. Sie waren Cousin und Cousine
zweiten Grades: Caoilinns Großvater war Handwerker geworden und nach Dyflin
gezogen, während der von Osgar auf dem Hof der Familie bei dem Kloster
geblieben war.
Der stattliche alte
Thingmount an dem stillen Fluss war ein dem Anlass angemessener Ort. Denn beide
wussten, dass ihr Vorfahre einst aus seiner Tiefe auferstanden und von keinem
Geringeren als Sankt Patrick persönlich getauft worden war. Und nicht nur
Osgar, auch die erst neun Jahre alte Caoilinn konnte ohne Mühe die
fünfundzwanzig Generationen auswendig aufzählen, die sie mit dem Alten
verbanden.
Wie immer hatte Osgar
gleichzeitig die Rolle des Bräutigams und die des Priesters zu spielen. Da sein
Vater vor vier Jahren gestorben war, hatte sich sein Onkel, der Abt, seiner
Erziehung angenommen. Zur großen Freude seiner Mutter, die sich vier bis fünf
Mal täglich zum Gebet auf die Knie niederließ, wusste er nicht nur seinen
Katechismus und viele Psalmen auswendig, sondern er konnte auch große Teile der
kirchlichen Messen vortragen. »Du hast eine Begabung für das geistliche Leben«,
hatte sein Onkel ihn gelobt. Und er konnte, wenn auch ein wenig stockend,
Lateinisch lesen und schreiben. Tatsächlich hatte Osgar, wie der Onkel seiner
stolzen Mutter bestätigte, für diese Dinge eine größere Eignung als seine
eigenen Söhne gezeigt.
Jetzt stand der Junge
vor Caoilinn und sprach erst die Formeln des Priesters, um dann auch noch die
entsprechenden Antworten des Bräutigams zu geben. Er steckte dem Mädchen den
Hirschhornring an den Finger und küsste sie keusch und züchtig auf die Wange.
Anschließend hakte Caoilinn sich bei ihm unter und stolzierte glücklich umher.
Sie trug den Ring immer bis zum Schluss ihres gemeinsamen Spiels, und wenn sie
sich dann wieder trennten, gab sie ihn Osgar zurück, der ihn sicher bis zum
nächsten Mal in seinem Beutel verstaute.
Dass sie Cousin und
Cousine waren, konnte man sehen. Sie hatten das gleiche dunkle Haar und die
gleichen feinen Gesichtszüge. Aber während Osgars Augen tief blau waren,
schimmerten ihre leuchtend grün. Er wusste, dass es in der Familie grüne Augen
gegeben hatte, aber von all seinen Verwandten besaß gegenwärtig nur Caoilinn
solche, und daher schien sie etwas Besonderes zu sein. Ihre gemeinsamen
Vorfahren hatten, so empfand er es, ein familiäres und zugleich magisches Band
zwischen ihnen geknüpft. Er konnte es sich nicht recht erklären, aber er hatte
das Gefühl, als seien sie in einer Welt, aus der andere Familien auf eine
gewisse Art ausgeschlossen waren, füreinander bestimmt. Aber selbst wenn sie
nicht miteinander verwandt gewesen wären, hätte Osgar ihren wilden, freien
Geist bewundert. Die Erwachsenen, seine Onkel und Tanten, hatten ihn stets als
das verantwortungsvollste aller Kinder der weit verzweigten Familie betrachtet.
Als den Jungen, der einmal die Führung übernehmen würde. Warum das so war,
wusste er nicht genau. Vielleicht war dies der Grund, weshalb er sich für den
Schutz seiner kleinen Cousine Caoilinn, die ständig tat, wonach ihr gerade der
Sinn stand, und auf die höchsten
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