Die Prinzen Von Irland
mit Getreide, Fleisch und Vieh.
Mochten die Wikinger auch Seeräuber sein, so waren sie doch auch Kaufleute, und
daher respektierten sie ihn. Trotz seines christlichen Glaubens hatte dieser
Nachfahre des Fergus immer noch voller Stolz den alten Trinkschädel der Familie
aufgehoben. Darunter konnten sich die Wikinger etwas vorstellen. Schon bald
lernte er so viel von ihrer Sprache, dass er mit ihnen Geschäfte machen konnte,
und sorgte dafür, dass keiner seiner Leute ihnen Grund zu Klagen gab. Er wurde
zu einer angesehenen Person. In der Umgebung gab es genügend offenes Land –
daher bestand für die Wikinger keine Notwendigkeit, den alten Häuptling von
seinem Territorium zu vertreiben. Und wenn er das kleine Kloster, dessen
einzigen wertvollen Gegenstand sie ohnehin bereits geraubt hatten, unbedingt
behalten wollte, so hatten die heidnischen Nordmänner auch dagegen nichts einzuwenden.
Das Kloster zahlte ihnen eine kleine Pacht. Die Mönche waren in der Heilkunde
bewandert, weshalb Wikinger aus der Siedlung sich hin und wieder dorthinauf
schleppten, um sich behandeln zu lassen. Und so kam es, dass Osgars Familie die
Jahrhunderte hindurch an der alten Furt Ath Cliath überlebt hatte.
Die beiden Kinder
näherten sich der Klosterpforte, und ein betagter Mönch empfing sie.
»Ich denke«, sagte
Caoilinn, »heute möchte ich gern in der Kirche heiraten.« Und sie trat zu dem
alten Mönch und fragte ihn höflich: »Ist der Abt im Hause, Bruder Brendan?«
»Nein, ist er nicht«,
lautete die barsche Antwort. »Er ist mit seinen Söhnen zum Angeln gegangen.«
»Dann dürfen wir die
Kapelle nicht benutzen«, sagte Osgar entschieden zu seiner Freundin, »sonst
bekommen wir Schwierigkeiten mit meinem Onkel.« In solchen Dingen war der Abt
unerbittlich. Er erlaubte den Kindern, die Kapelle in den Zeiten zu betreten,
wo dort kein Gottesdienst stattfand. Aber wenn sie sich heimlich und ohne
Erlaubnis dort hineinschlichen, konnten sie sich darauf gefasst machen, dass
sie seinen Riemen auf ihrem Hinterteil zu spüren bekamen.
Dass Osgars Onkel,
der Abt, verheiratet war und Kinder hatte, war keineswegs ein Zeichen von losen
Sitten in dem Kloster. Seit die Ui Fergusa, etwa zwei Jahrhunderte nach Bischof
Patricks Besuch, einer Gruppe von Mönchen gestattet hatte, sich in der Nähe
ihres Raths anzusiedeln, hatte sich die Familie auch selbst mit dem Kloster
verbunden. Denn was wäre natürlicher gewesen, wenn im Laufe der Generationen
hin und wieder ein Mitglied der Familie die Sehnsucht nach einem kontemplativen
Leben verspürte, als dass es dann in ihr eigenes Kloster eintrat? Dies war
sogar ihrem Ruhm förderlich: Denn genau wie ihre Vorfahren zuweilen Druiden
geworden waren, schätzten es die größten Familien auf der Insel, wenn zuweilen
eines ihrer Mitglieder im geistlichen Stand vertreten war. Und es war auch nur
natürlich, dass sich die Ui Fergusa als Beschützer der Mönche betrachtete.
»Also gut«, sagte
Caoilinn mürrisch, »dann müssen wir es eben woanders machen. Dann gehen wir zum
Grabhügel«, erklärte sie. »Hast du den Ring dabei?«
Er griff in den
Lederbeutel, der an seinem Gürtel hing, und holte den kleinen Ring aus
Hirschhorn hervor, mit dem er sie schon mindestens ein Dutzend Mal geheiratet
hatte.
»Gut, dann komm«,
sagte sie.
Dieses Heiratsspiel
währte nun schon bald ein Jahr: Caoilinn schien es niemals leid zu werden. Und
er wusste immer noch nicht: War es nur ein Spiel ohne tiefere Bedeutung, oder
lauerte eine ernste Absicht dahinter? Immer war er derjenige, den sie sich zum
Bräutigam erwählte. Tat sie das nur, weil er ihr Vetter war und das Spiel
mitspielte, oder vielleicht aus Angst, einer der anderen Jungen hätte sie
womöglich ausgelacht? Wahrscheinlich. Und er? Genierte er sich nicht dabei?
Eigentlich nicht. Er konnte es mit einem Achselzucken abtun. Sie war ja nur
seine kleine Base. Wie dem auch sei, Osgar mochte zwar ein wenig dürr sein,
aber er war größer als die anderen Jungen seines Alters, und er war stark. Die
anderen Kinder begegneten ihm mit vorsichtigem Respekt. Gewöhnlich ging er auf
Caoilinns Antrag ein. Einmal, als er gerade beschäftigt war, hatte er ihr den
Laufpass gegeben, woraufhin sie erst ein enttäuschtes Gesicht machte und mit
trotzig erhobenem Kopf erwidert hatte: »Gut, wenn du mich nicht heiraten
willst, dann muss ich mir eben einen ändern suchen.«
Da hatte er sich
schließlich erweichen lassen: »Nein, ich will dich doch heiraten.« Dann schon
lieber er
Weitere Kostenlose Bücher