Die Prinzen Von Irland
begann er die
verschiedenen Gegenstände auf dem Tisch vor sich aufzuräumen: die Hand– und
Nadelbohrer, Pinzetten, Hämmer und die kleine flache Knochenplatte – die
Zeichenschablone –, in die er grobe Entwürfe für künftige Metallarbeiten
eingeritzt hatte. Sein Talent war nicht zu verkennen. Bereits in dieser groben
Vorarbeit mit ihren komplizierten, ineinander geflochtenen Strukturen war das
kunstvolle Verbinden von abstrakten, durcheinander wirbelnden Mustern der alten
Kunst der Insel mit den schlangenförmigen, tierischen Formen zu erkennen, die
bei den Nordmännern so beliebt waren. Unter seinen geschickten Händen würden
schon bald grob stilisierte wikingische Seeschlangen mit keltischen kosmischen
Mustern verwoben werden, die Männer und Frauen gleichermaßen begeisterten.
Neben seiner Werkbank
befanden sich in einer verschließbaren Kassette, die sauber in verschiedene
Gefache unterteilt war, alle möglichen kuriosen Dinge. Da gab es Stücke von
schwarzem Stein, genannt Jett, der aus der britischen Wikingerstadt York
importiert worden war; ein anderes Gefach enthielt Bruchstücke von buntem
römischem Glas, das in London ausgegraben worden war und zur Verzierung
verwendet wurde. Daneben gab es Perlen, dunkelblaue, weiße oder gelbe, zur Herstellung
von Armketten. Morann verstand sich auf alles: auf Kupferschnallen, silberne
Schwertgriffe, goldene Armreife; er konnte mit Goldfiligran verzieren, mit
Silber punzen, jede Art von Schmuck und Ornamenten herstellen.
Außerdem befanden
sich in seiner Kassette auch kleine Stapel von Münzen. Neben dem alten Ringgeld
und geprägtem Silber verwendeten die wikingischen Kaufleute von Dyflin bei
ihren Transaktionen Münzen aus ganz Europa, obwohl davon geredet wurde, dass
sie vorhatten, auch hier in Dyflin ihre eigene Münzstätte einzurichten, wie es
die Briten in ihren Städten taten. Morann besaß einige alte Geldstücke aus den
Münzenstätten von Alfred dem Großen in England und sogar ein zweihundert Jahre
altes, auf das er besonders stolz war: Es stammte von Karl dem Großen, dem
Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.
Nun räumte er die
Gegenstände auf seiner Werkbank sorgsam in die mit Eisen beschlagene Kassette,
verschloss sie und übergab sie seiner Frau, die sie im Innern des Hauses
verwahrte.
Der Arbeitstag ging seinem
Ende zu. Er spazierte an den Läden und Werkstätten von Kammschneidern und
Schreinern, Gurtmachern und Edelsteinhändlern vorbei. Überall sprang ihm der
geschäftige Wohlstand der Wikingerstadt in die Augen. Er kam an der glühenden
Esse eines Grobschmieds vorüber und schmunzelte – die Beschäftigung seiner
Vorfahren. Aber man musste zugeben, dass die norwegischen Eindringlinge
handwerklich sogar noch besser mit Eisen und Stahl umzugehen wussten als die
kriegerischen Menschen auf der Insel. Als er in die Straße einbog, die Fish Shambles – also »Fischschlachtfeld« – genannt
wurde, in der der Fischmarkt, nach dem sie benannt war, bereits geschlossen
war, erblickte er einen Händler, der ihn mit respektvollem Nicken grüßte.
Dieser Kaufmann handelte mit der allerkostbarsten Ware dem gelben Bernstein,
der mit einem Langschiff des Ostseehandels den weiten Weg aus Russland kam. Nur
wenige der Juweliere in Dyflin konnten es sich jedoch leisten, Bernstein zu
kaufen, und er, Morann, war einer von ihnen.
Morann Mac Goibnenn.
Im Irischen wurde der Name wie »Mocgovnan« ausgesprochen und bedeutete »Sohn
des Schmieds« – denn sowohl sein Vater als auch sein Großvater hatten Goibniu
mit Namen geheißen. Erst in der letzten oder vorletzten Generation begann man
diese Form individueller Familiennamen zu verwenden. Ein Mann konnte Fergus,
Sohn des Fergus, heißen und vielleicht einem großen königlichen Stamm wie den
O’Neills angehören, aber der Stammesname war bisher noch kein Familienname
gewesen. Doch nun waren Morann und seine Kinder die Familie namens Mac
Goibnenn.
Und dieser Name wurde
bei den irischen wie den wikingischen Stadtbewohnern gleichermaßen mit Respekt
genannt.
Obwohl er noch jung
war, hatte sich der Schmuckmacher bereits als Meister seiner Kunst erwiesen.
Daneben galt er auch als vorsichtig, schlau und durchtrieben, eine
Persönlichkeit, auf deren Rat man in dem Wikingerhafen hörte. Sein Vater war
zwei Jahre, nachdem er zum ersten Mal nach Dyflin kam, gestorben, und das war
für ihn ein großer Schmerz gewesen; aber es erfüllte Morann mit Freude, wenn er
daran dachte, wie stolz sein Vater wäre, wenn er
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