Die Prinzen von Queens - Roman
ein, als würde er alles aufschreiben, was Tariq macht, jeden einzelnen Schritt protokollieren.
Als Tariq innehält, hält auch der Typ inne und tippt erst weiter, als Tariq, die drei Hefte unterm Arm, an ihm vorbei zur Pinnwand geht. Und weil sich alle im Waschsalon verschworen haben, ihm auf die Ketten zu gehen, sitzt direkt vor der Pinnwand eine fette Ecuadorianerin. In dem Fernseher über den Trocknern läuft eine Telenovela, der sie mit offenem Mund folgt, wobei sie mit den Fingern gedankenverloren an den Perlen ihrer Halskette nestelt. Tariq muss sich über sie beugen – sein Schritt nur Zentimeter von ihrem Ohr entfernt –, um die mit Reiszwecken befestigten Visitenkarten lesen zu können. Parapsychologen neben Fachanwälten für Körperverletzung, Massagespezialisten neben EDV-Technikern. Auf einem selbstgemalten Zettel empfiehlt sich eine Babysitterin. Die Nummer des Kindermädchens wiederholt sich auf kleinen Papierstreifen, die wie Klaviertasten herunterhängen. Ein anderer Zettel verspricht eine Belohnung für einen entlaufenen Hund, einen Beagle mit Schlappohren. Tariq lehnt sich weiter vor, geht mit dem Gesicht noch näher an den Kork heran. Klassische 3-Zi-Wohnung zu vermieten. Na, wer sagt’s denn? Eine Dreizimmerwohnung ist genau das, was er sucht – es wäre großartig, ein Arbeitszimmer für seine Studien zu haben, in der Ecke eine kleine Nähmaschine für Isabel –, aber er reißt die entsprechende Klaviertaste nicht ab, weil er weiß, dass »klassisch« nur ein modisches Wort für alt ist.
Es hängen noch andere Wohnungsangebote an der Pinnwand, aber um sie lesen zu können, müsste er sich der Frau auf den Kopf setzen. Der Typ hört auf zu tippen. Wartet darauf, dass Tariq den nächsten Schritt tut. Wegen der Trockner, der statischen Aufladung der Luft, riecht es im Waschsalon wie in den ersten Minuten nach einem Gewitter. Tariq räuspert sich, um zu sehen, ob der Typ dann weitertippt, sogar das aufschreibt – Das Monster räuspert sich –, stattdessen aber schaut die Frau zu ihm hoch. Sie zuckt zurück, als sie ihn über sich bemerkt. Er hatte nicht die Absicht gehabt, ihr Angst zu machen, aber kommen Sie, Werteste, wieso mussten Sie sich auch direkt unter die Pinnwand setzen? Jetzt, wo er hier steht und sie auf seine Wunde starrt, muss er irgendetwas tun, um seine Anwesenheit zu rechtfertigen, also reißt er irgendeine Klarviertaste von der Pinnwand. Er murmelt noch immer Entschuldigungen, als die Tür des Waschsalons hinter ihm zufällt.
Und weil es ja nie aufhört, hat die zerknüllte Taste in seiner Faust nicht das Geringste mit Mietangelegenheiten zu tun. Dort steht:
Methadon-Studie
Queens College
Darunter wird darum gebeten, eine 718-Nummer anzurufen. Na klar. Er zerreißt den Zettel und wirft die Schnipsel auf die Straße.
Er weiß ganz genau, wo er ist – Tausende Male hatte er seine Mutter in diesen Waschsalon begleitet, hatte in der Bodega auf der anderen Straßenseite gelebt –, und doch kommt er sich verloren vor, als hätte man ihm lediglich davon erzählt und all seine Erinnerungen wären die eines anderen. Ganz offensichtlich strahlt er diese Verwirrung auch aus. Ein Obdachloser schiebt sich herüber, ganz heiß darauf, ihn anzusaugen.
Auch wenn er normalerweise in Sachen ethnischer Zugehörigkeit Experte ist – das macht Queens, der Knast –, kann Tariq nicht sagen, ob dieser Typ nun Inder, Pakistani, Bangladeshi oder etwas vollkommen anderes ist. Trotz der Hitze trägt der Mann ein dickes Sweatshirt, so grau und dreckig wie sein Bart. Starke Drogen oder der Entzug von starken Drogen lassen sein linkes Bein zittern. Den Kopf gesenkt, bittet er um Kleingeld.
»Wusstest du noch nicht?«, sagt Tariq. »Wechseln nur für Kunden.«
»Was?«
Tariq ermahnt sich, nicht zum ersten Mal, dass er das Witzeerzählen besser anderen überlassen sollte. Er rollt die Wohnungsheftchen zusammen, und der Mann macht einen Schritt zurück, als wäre er eine Spinne, die gleich plattgemacht wird. Tariq stopft sich die Hefte in die andere Gesäßtasche. Beide Taschen sind nun peinlich prall, zwei hässliche Beulen, die seine Rocawear-Jeans ausleiern. Er erwartet, dass der Obdachlose zu irgendeiner frechen Bemerkung ansetzt, ihn Käsefresse nennt oder etwas in der Art, aber als er das nicht tut, gibt Alfredo ihm seine letzten drei Dollar.
»Alles Gute, Bruder«, sagt Tariq fröhlich, denn wie jeder weiß, ist die gebende Hand besser als die bittende. »Friede sei mir dir.«
Um
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