Die Prinzen von Queens - Roman
dem Weg zum Klo verlaufen, erklärt er. Auf dem Rückweg dasselbe. Seine Stimme dröhnt. Er nimmt den Saum von Isabels T-Shirt und will es ihr über den Bauch ziehen, sie bedecken, als er den Schleim bemerkt, der auf ihrem Bauch verteilt ist. Er tunkt den Finger hinein und verreibt das Zeug zwischen Daumen und Zeigefinger. Als der Arzt zu ihm tritt, ergreift Alfredo seine Hand und schüttelt sie. »Schön, Sie kennenzulernen«, sagt er. »Freut mich wirklich.« Während er ihm noch immer die Hand schüttelt, zeigt er mit dem Daumen auf Isabels Bauch. »Ich bin der Vater. Hören Sie, tut mir leid, dass ich zu spät bin.«
»Besser spät als nie«, sagt der Arzt. »Viele Väter kommen zu diesen Vorsorgeuntersuchungen überhaupt nicht mit.«
»Auf dem Weg zum Klo verlaufen?«, sagt Isabel. »Und was noch? Bist du in die Schüssel gefallen?«
Alfredo zuckt wie ein kleiner Junge mit den Schultern. Als hätte Isabel ihn gefragt, ob er alle Kekse aufgegessen oder die Wände bemalt habe. Sie packt ihn am Hosenbund und zieht ihn zu sich heran. Sie möchte die Nase in seiner Brust vergraben. Sie will ihn neben sich auf dem Tisch haben, damit sie ihm ins Ohr flüstern kann: Wehe, wenn du mich noch einmal allein lässt.
Während Alfredo noch Isabels Hand drückt, schwenkt der Arzt seinen Zauberstab über ihrem glibberglatten Bauch. Presto zesto! Das Bomm-Bomm von Christian Louis’ Herz lässt den Lautsprecher des Monitors vibrieren.
»Mein Gott«, sagt Isabel. »Hör dir das mal an.«
Der Arzt nickt zustimmend. »Die Testergebnisse sehen alle sehr gut aus. Gesundes Baby, gesunde Mama.«
»Gute Arbeit«, sagt Alfredo. Er reckt ihr den Daumen entgegen. Katastrophe noch mal vertagt. Vor Freude über die Gesundheit von Baby und Mama beginnt Alfredo mit dem Kopf zu nicken. »Das ist ein ganz schön krasser Beat, findet ihr nicht? Bomm-Bomm. Yeah. So sieht’s aus. Der kleine Mann wird bestimmt mal Rapper. Bomm-Bomm.« Alfredo klopft mit dem Fuß. » Bomm-Bomm. In Mamas dickem Bauch wohnt das schönste aller Babies / bald trägt es Goldkettchen und fährt Mercedes. Bomm-bomm . Mach den Scheiß mal lauter, Doktor!«
Der Arzt tippt sich an die Lippe, als überlegte er, wie es nun am besten weitergehen könnte. Er drückt Isabel den Zauberstab in die Hand, damit sie ihn selbst über Christian Louis halten kann. Von allen medizinischen Pflichten befreit, erhebt er sich vom Stuhl. Er schnippt mit den Fingern. Zuckt mit Hüften und Schultern.
»Alter!«, ruft Alfredo. »Heißer Kalkutta-Scheiß! Bomm-Bomm. Unser Kleiner wird als MC die endkrasse Nr. 1 / Haus mit fetter Glotze ist bald meins meins meins .«
Alfredo freestylt, während der gute Doktor mit den Armen schlenkert. Die Männer grooven. Alfredo wird immer lauter, gerät außer Atem. Der Bauch des Arztes schwabbelt. Schweiß läuft ihm in die Augenbraue. Langsam wird er müde – das Stethoskop hüpft schon nicht mehr so weit von seinen Schultern hoch wie noch Augenblicke zuvor. Bald wird er sich über die Stirn wischen, den Kittel zuknöpfen und zur nächsten Patientin übergehen. Möglicherweise wird er beim Abendessen, während er eine Flasche Wein entkorkt, seiner schönen Frau von der kleinen Session mit dem Latino-Pärchen erzählen.
Alfredo stampft mit den Füßen, geht in die Knie, lässt die Schultern rotieren und wiegt die Hüfte – versucht, nun ganz allein, die Party am Laufen zu halten.
Bomm-bomm! , sagt Christian Louis Batista.
Isabel reckt die Hände in die Luft.
3
Kurzer Exkurs zum Thema Labertaschen
Ein paar Jahre zuvor, nach dem Einbruch ins Virgil’s, ging auf der Straße das Getuschel los. Gio, Conrad und Jose Jr. hatten aus dem Festsaal über zweitausendfünfhundert Dollar mitgehen lassen, und keine zwei Tage später war bei ihnen zu Hause die Polizei aufgekreuzt. Spiralblöcke in der Hand und Handschellen in der Tasche. Wenn das mal keine mordsmäßig fixe Aufklärung ist, sagten die Labertaschen des Viertels. Und was ein Zufall, dass Alfredo vorher aus dem Wagen gestiegen ist. Alfredos Verteidiger – hauptsächlich Winston – hielten dagegen, Zufälle gebe es jeden Tag. Dass die Leute bloß die große Welle machen wollten, um die große Welle zu machen. Dass sie nach einer Verschwörung suchten, die es nicht gab. Dass Alfredo einfach Glück gehabt habe, nichts weiter. Keine große Sache. Ende Gelände.
Diesen Standpunkt zu vertreten wurde etwas schwieriger, nachdem Jose in den Knast gewandert war und Alfredo die Geschäfte übernommen
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