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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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beugt den Kopf zum Hahn und trinkt kaltes Wasser aus der Leitung.
    »Letzte Woche schau ich aus dem Fenster und seh meine Frau im Garten. Sie weiß nicht, dass ich sie beobachte. Und ich sehe, wie sie einen langen Schluck aus dem Schlauch nimmt. Und denke, was habe ich nur für ein Glück? Wie unfassbar schön meine Frau ist.«
    Er ist ein dickbäuchiger Inder mit Geheimratsecken und einer riesigen Augenbraue, die sich quer über die Stirn zieht. Sollte seine Frau schön oder auch nur halbwegs ansehnlich sein, dann ist dieser Mann tatsächlich ein Glückpilz. Allein die Augenbraue. Unfassbar buschig, droht sie Tentakel auszubilden, ihm das Stethoskop von den Schultern zu reißen oder ihm bei Bedarf Skalpelle anzureichen. Noch mehr Haare schießen aus seinen Nasenlöchern und aus den Ärmeln seines Kittels. Es ist Isabels sechste Vorsorgeuntersuchung und ihr sechster Arzt.
    Er nimmt den Becher mit Urin. Er schaut ihn sich an, dann wieder weg und schnalzt mit der Zunge.
    »Und ich hab Ihnen gar nichts mitgebracht.«
    Isabel starrt den Inder an, seinen dicken Bauch und die fleischige Nase und fragt sich – ganz kurz, irrerweise –, ob das Alfredo ist, der sich verkleidet hat. Als Kind hatte sie oft solche Gedanken gehabt, hatte sich vorgestellt, ihre weiße, ältliche Lehrerin in der dritten Klasse, Mrs. Rosenstock, sei in Wirklichkeit ihre Mutter, verkleidet mit Perücke und Gummimaske. Während des Unterrichts hatte sie etwas auf Spanisch gewispert und dabei Mrs. Rosenstock in die Augen geschaut, in der Hoffnung, dass dort ein Verstehen aufblitzte. Zu Hause am Küchentisch meldete sie sich unvermittelt, hoffte, ihre Mutter auf dem falschen Fuß zu erwischen. Lächerlich? Sicher. Aber niemals waren Mrs. Rosenstock und Isabels Mutter zur selben Zeit am selben Ort gesichtet worden!
    »Haben sie meinen Freund gesehen?«, fragt sie den Arzt. »Vor einer Minute war er noch hier.«
    »Leider nicht.« Mit dem Daumen schnippt er den Deckel ihres Urinbechers auf. Ein weißes Stäbchen erscheint in seiner Hand, er tunkt es in den Becher, rührt um, als mache er Café con leche. Das ist normalerweise Aufgabe des Laboranten, aber der Doktor vermittelt den Eindruck, als müsse er seine Spezialistenhände beschäftigt halten. Isabel malt sich aus, dass er, wenn er nach Indien fährt, falls er nach Indien fährt, seine Ferien damit verbringt, die komplette Bevölkerung zu untersuchen, jeden einzelnen Puls misst, jeden Mann, jede Frau und jedes Kind bittet, den Mund aufzumachen und Aaaaaaaaah zu sagen. »Bitte, setzen Sie sich.«
    Sie hat Fragen zur Gesundheit des Babys, aber der Arzt führt die Untersuchung in einer Geschwindigkeit durch, als versuchte er, ihre Ängste hinter sich zu lassen. Nur selten stellt er Blickkontakt her. Er misst den Blutdruck, drückt ihr Hände und Gelenke, stellt sie auf die Waage, fragt sie, ob sich Krampfadern gebildet hätten, zieht den Streifen aus dem Urinbecher, nimmt ihr Blut ab – und während all dessen hat Isabel das Gefühl, überhaupt nicht mit im Raum zu sein. Aber als er den Saum ihres T-Shirts anhebt, erstarrt sie. Sie liegt auf dem Tisch und riecht den Zitronentee im Atem des Arztes. Sie schließt die Augen. Weil sie ganz alleine ist, ruft sie Christian Louis herbei. Sie hofft, nicht die Namen neuer Krankheiten zu hören, sondern eher liebevolle, beruhigende Worte: Alles gut, Mama. Entspann dich.
    Aber Isabels Ohren sind dicht. Sie hört rein gar nichts, und die Hände des Arztes sind kalt. Um Größe und Lage des Fötus zu ermitteln, betastet er den Uterus, tastet das Baby an Kopf und Schultern ab. Isabels Fäuste sind geballt, ihr Körper verharrt reglos. Mamas Rufen zum Trotz erscheint Christian Louis nicht auf der Innenseite ihrer Lider. Sie sieht nur Dunkelheit. Aber Isabel hält die Hoffnung aufrecht. Ihre Augen bleiben geschlossen, und in der Mitte des Dunkels erblüht ein purpurfarbener Kreis. Was da die Haut ihres Augenlids durchdringt, ist bloß der Umriss der Neonröhre über ihr, doch für Isabel ist es eine kleine rote Welt, die in Flammen steht.
    S ie saß im Travers Park und sah den Hand-Ball-Spielen zu. Es war 1998. Sie war fünfzehn. Sie war in den Park gegangen, weil zu Hause der neue Freund ihrer Mutter einzog, seine Kisten in die Wohnung trug und im Wohnzimmer fallen ließ. Auf dem Hand-Ballplatz fiel ihr ein Mann besonders ins Auge. Er trug ein Unterhemd, rempelte die anderen Spieler an und drosch auf den Ball ein, als ob er ihm Geld schuldete. Nach dem Spiel, die

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