Die Prinzen von Queens - Roman
eingefallen, als er sagte, es sei ihm eingefallen. Ist Alfredo egal. Er freut sich einfach über die Ablenkung, freut sich, mal an was anderes zu denken als an die Programmanzeige seines Kinos der Angst: Tariqs Rückkehr . Und gleich darunter, auf der Anschlagtafel gerade erst hinzugefügt: X – Auf ewig gebrandmarkt .
»Ich glaube, wir haben die ganze Zeit zu sehr auf unser Glück vertraut«, sagt Winston. »Latschen den Leuten durch die Gärten. Warten vorm Seven-Eleven. Wir sitzen einfach rum und hoffen, dass irgendwann ein Köter vom Himmel fällt.«
»Okay«, sagt Alfredo. »So weit kann ich dir folgen.«
Winston schließt die Augen, als hätte er gerade den Faden verloren. »Was aber wäre … okay, pass auf … was wäre, wenn wir dort suchen würden, wo es mit Sicherheit Hunde gibt? Ja? Was, wenn wir dort nach einem furchterregenden Hund suchen würden, wo Hundebesitzer Furcht erregen wollen?« Winston breitet die Arme aus und nennt einen Ort, an dem die beiden schon tausendfach vorbeigekommen sind, einen Ort, wo zu dieser Nachtzeit sicher ein paar finstere Scheißtölen nur darauf warteten, einkassiert zu werden: die Queens County Savings Bank.
»Eine Bank?«, sagt Alfredo. »Die haben doch keine Hunde da.«
»Na, und ob. Nachts und so. Um das Geld zu bewachen. Hab ich schon gesehen, glaub ich.«
»So wie du geglaubt hast, Vladimirs Pillen hätten kein Logo?« Als Winston wegschaut, sagt Alfredo: »Selbst wenn die in der Queens County Pitbulls hätten – was soll’s? Wie sollten wir einer Bank ihre Hunde abknöpfen?«
»War wohl ne Scheißidee.«
Alfredo fragt sich, ob diese Scheißidee Absicht war. Tut Winston nur so blöd, um ihn zu ärgern, quasi um Alfredo seinen Ausbruch von vorhin heimzuzahlen? Letzten Endes auch egal, denn Winstons Scheißidee führt dazu, dass nun eine wesentlich bessere zündet.
»Was ist mit Gebrauchtwagenhändlern?«, sagt Alfredo.
W eil die Gebrauchtwagenhändler in Queens offensichtlich alle zusammenglucken wie Damen beim Kaffeekränzchen, können Winston und Alfredo ihren Spähtruppeinsatz auf einen Zehn-Block-Radius beschränken. Beim ersten Hof, den sie besuchen, rüttelt Alfredo am Zaun, während Winston Wuff Wuff macht. Eine Katze saust unter einen Kotflügel. Beim zweiten meinen die beiden im Dunkeln einen Hund hocken zu sehen, aber der entpuppt sich als Reifen. Beim dritten, vierten und fünften ist es mehr oder weniger dasselbe, und so nähern sie sich – wer will es ihnen verübeln? – dem sechsten Hof mit gedämpfter Hoffnung.
Das Allouez Secondhand-Gebrauchtwagen-Supercenter am Northern Boulevard hat nicht nur einen doppelt gemoppelten Namen, sondern ist auch mit einem sechs Meter hohen Zaun gesichert. Oben drauf ist der ganzen Länge nach Stacheldraht montiert, die Wicklungen in stets gleichen Abständen, als hätte sich hier eine gigantische Schlange gehäutet. Hinter dem Zaun schimmern Wohnwagen, Cherokees und Honda Odysseys, die jeweiligen Preise sind mit grell weißer Farbe auf die jeweiligen Windschutzscheiben gemalt.
$ 3800
$ 5295
190 000 km
150 000 km
Nur ein Vorbesitzer
Fährt wie neu
»Was ist das denn?«, sagt Winston und zeigt ans Ende des Hofs.
Alfredo kneift die Augen zusammen. »Was ist was?«
»Siehst du das nicht? Zwischen den Autos? Ganz hinten. Was ist das?«
Alfredo putzt seine Brille mit dem Saum seines T-Shirts. Wieder bebrillt, meint er, tatsächlich etwas zu sehen, etwas Verschwommenes – ja, ja, und ob er es sieht, ein schwarzes verschwommenes Etwas, das sich zwischen den Autos bewegt, sich dreht und herumspringt.
»Ich glaub, das ist eine Katze«, sagt Winston. Enttäuschung macht sich in seiner Stimme breit. »Ja, ganz sicher eine Katze.«
Alfredo tritt gegen den Zaun. Das Zittern des Maschendrahts sendet Schwingungen über den Asphalt in die hinteren Winkel des Hofes und kitzelt die Pfoten von unten. Das verschwommene schwarze Vieh hebt seinen verschwommenen schwarzen Kopf. Langsam, wie genervt, strafft es die Schultern und galoppiert langbeinig auf sie zu, gibt sich mit großen Sätzen schließlich zu erkennen.
»Dobermann«, sagt Alfredo, während der Hund näher kommt.
»Ist das ein Kampfhund?«
»Ich würde nicht mit einem kämpfen wollen.«
Es ist durchaus möglich – nein, eigentlich ziemlich wahrscheinlich – dass während des Trecks gen Westen auch Lewis sich irgendwann an Clark gewandt und ihm gesagt hat, er solle einfach mal seine verdammte Fresse halten. Und möglicherweise sind sie danach stunden-
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