Die Prinzen von Queens - Roman
über Baseball sprachen. Sie würden sagen: Wisst ihr noch, als Alfredito den Typen an der Homebase abserviert hat? Der Ball ist vorher nicht mal aufgekommen. Aber das alles hatte nicht stattgefunden. Alfredo hatte nie jemanden an der Homebase abserviert, verständlicherweise spricht auch keiner darüber. Und das alles nur, weil Alfredo zu spät geboren worden war. Als er in die Pubertät kam, war die Party bereits vorbei. Die Plastikbecher stapelten sich, die Anlage war ausgestöpselt und die Aschenbecher geleert.
Alfredos Arm schnellt nach vorn. Er beißt die Zähne zusammen, wirft. Das hintere Ende des Hundeschlunds wäre ein Strike gewesen, aber da ist natürlich auch noch Alfredos Vorgeschichte als Werfer: beeindruckende Fluggeschwindigkeit, klägliche Treffsicherheit. Das Valium prallt am Draht ab und landet auf dem Gehweg vor dem Gebrauchtwagenhof. An der denkbar ungünstigsten Stelle. Wegen des Zauns kommt der Dobermann nicht an das Valium ran, trotzdem liegt sie so nah vor dem schnappenden Kiefer des Hundes, dass Alfredo sie nur sehr ungern aufheben will. Unsinn? Alfredo muss zugeben, dass der Zaun absolut zweckdienlich aussieht, aber es gibt wesentlich merkwürdigere Dinge als einen Hund, der sich durch Metall frisst, um einen jungen Puerto Ricaner durch die Straßen zu jagen.
»Tu mir einen Gefallen«, sagt Alfredo und zeigt auf die Pille. »Hol mir die mal bitte eben.«
Ohne sich von der Stelle zu rühren, sagt Winston: »Klar, kein Thema. Mach ich sofort.«
Alfredo zieht eine weitere Valium heraus. Er berechnet die Flugbahn neu, zielt jetzt weiter und höher. Als er diesmal wirft, schießt ihm ein eisiges Prickeln durch die Schulter bis in die Fingerspitzen. Die Pille segelt über den Kopf des Hundes hinweg. Beindruckende Fluggeschwindigkeit – wäre es eine Frisbeescheibe und keine Valium, würde der Hund möglicherweise die Verfolgung aufnehmen. Stattdessen legt er sich flach auf den Boden und knurrt.
»Jetzt bin ich dran«, sagt Winston.
»Eine noch.«
»Und da werden dann zehn draus. Ich will einen Versuch, solange noch Pillen da sind. Und ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, du schuldest mir was.«
Alfredo fragt sich, ob er und Winston in fünfzig Jahren wohl auf einer Bank im Travers Park sitzen, die Hände voller Altersflecken, und sich darüber streiten, wer nun den Tauben das Toastbroat hinwerfen darf. »Falls da eine Aspirin drin ist«, sagt er und reicht Winston das Tütchen, »spar die für mich auf.«
Winston fingert eine Valium heraus. Mit ungewohnt selbstbewusster Geste – als wollte er sagen, Ich schaff das mit nur einer einzigen Pille – verschließt er das Tütchen und steckt es in die Hosentasche. Er zupft am Schirm seiner Spiderman-Kappe. Er richtet sich die Eier. Er würde wahrscheinlich auch ausspucken, wenn ihm das Ecstasy nicht den Mund ausgetrocknet hätte. Er atmet tief ein, tritt einen Schritt nach vorn und macht – jeglichem Macho-Kodex gegenüber offensichtlich gleichgültig – einen Unterhandwurf. Die Valium beschreibt einen Bogen. Sie trudelt. Sie schießt durch eine Masche des Zauns und trifft den Hund voll auf die Schnauze.
Auf der Menschenseite des Zauns ist der Jubel groß. Alfredo setzt zum Abklatschen an, aber Winston umarmt ihn, jegliche mögliche Befangenheit wird durch den Triumph des Augenblicks plattgewalzt, so wie damals, als Gary Carter Jesse Orosco in die Arme sprang. Irgendwie machen Winston und Alfredo alles gleichzeitig: umarmen, Faust-Check, abklatschen und gegenseitig auf die Schulter klopfen.
Auf der Hundeseite des Zauns beugt sich der Dobermann über die Pille, die sich auf dem Boden dreht wie eine fallen gelassene Münze. Eine Pfote wird zaghaft auf das Valium gestellt. Jetzt ist alles still. Der Hund hebt die Pfote und schnüffelt kräftig und sorgfältig an der Pille. Schnüüff . Davon angewidert, von Winston und Alfredo und überhaupt gelangweilt, zottelt der Hund zurück in den hinteren Teil des Hofs, möglicherweise enttäuscht, dass er nicht auf einer Halsschlagader herumkauen konnte, aber sicher begierig, endlich weiter zu tanzen.
»Dieser Scheiß soll einfach nichts werden«, sagt Winston traurig. »Bald müssen wir die Leute anrufen. Falls dieser Hundekampf nicht steigt, müssen wir allen Bescheid sagen. Sogar aus Staten Island wollten Leute kommen.«
»Niemand bläst hier irgendwas ab«, sagt Alfredo.
»Was ist nur aus der guten alten Party geworden?«, sagt Winston. »Aus der Eiscremetorte, die man mitbringt?«
Wenn das
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