Die Prinzessin
groß und nur mit einem weißen Lendenschurz bekleidet. Ihre schweißbedeckten, muskelbepackten, bronzefarbenen Körper glänzten im Sonnenschein. Die Sportarten, die sie trainierten, waren sehr vielfältig: Ringen, Bogenschießen, Stockfechten, Schwertkampf und Boxen. Ein grauhaariger Mann ging herum und rief den Kämpfenden Ermahnungen zu. J. T. fühlte sich in andere Zeiten zurückversetzt. »So haben sie wahrscheinlich schon im dreizehnten Jahrhundert bei eurem Rowan geübt, nicht wahr?« bemerkte J. T. leise, voller Bewunderung. Er spürte den starken Drang, mit diesen Männern zu trainieren. So, genauso sollte ein Kampf verlaufen — Mann gegen Mann. Bomben auf wehrlose Zivilisten zu werfen — das war kein ehrlicher Krieg mehr.
»Oh, jetzt haben sie uns gesehen«, sagte Aria.
Einen Augenblick später ertönte ein Pfiff, die Gardesoldaten verschwanden und tauchten Sekunden später mit langen Roben bekleidet wieder auf. Im Nu formierten sie sich. Es war ein beeindruckender Anblick.
J. T. ließ den Wagen vorwärtsrollen.
»Ich glaube, es wird ihnen nicht gefallen, daß ich hier bin«, meinte Aria ängstlich.
»Vergiß nicht, daß du ihre Prinzessin bist.«
»Aber sie legen sehr viel Wert auf ungestörte Übungstunden! Großpapa sagt immer...«
»Bleib nur bei mir, Schätzchen. Ich werde dich schon beschützen.«
»Ha! Das ist schließlich meine Garde, meine Männer, mei ...« Sie unterbrach sich und lächelte, als der Grauhaarige, jetzt in schwarzer Robe, ihre Autotür öffnete.
»Willkommen, Hoheit«, sagte er formell.
J. T. und der Captain der Garde maßen einander mit Blicken, und J. T. sagte, ohne sich vorzustellen: »Ich brauche Ihre Hilfe.«
»Die bekommen Sie«, erwiderte der Captain sofort.
Mittelalterlich aussehende Holzstühle wurden aufgestellt. J. T. und der Captain saßen einige Meter von Aria entfernt. Entgegen Arias Befürchtungen, daß die Männer über ihren Besuch nicht gerade erfreut wären, behandelten sie sie fast zu freundlich, wie J. T. fand. Ein Soldat spielte auf einer Laute, ein anderer bot ihr Kuchen an, und zwei weitere servierten ihr Getränke. Und alles, was sie sagten, ließ Aria erstrahlen. Sie sah aus wie eine Prinzessin aus alter Zeit, die von ihren gutaussehenden, kampferprobten Lehnsmännern umgeben war.
Der Captain sah schmunzelnd zu Aria hinüber und dann auf J, T’s gerunzelte Stirn. »Wir haben hier nicht oft Besuch. Unsere Prinzessin hat uns noch nie die Ehre gegeben.« Er kicherte. »Ausgenommen einmal, aber da haben wir so getan, als hätten wir sie nicht entdeckt.«
J. T. lächelte. »Was wissen Sie über die jüngsten Ereignisse?«
»Es wurde auf Ihre Königliche Hoheit geschossen«, entgegnete der Captain grimmig.
»Das ist noch längst nicht alles«, sagte J. T. bitter und erzählte dem Mann, was Aria in Amerika zugestoßen war, und welchen Anschlägen sie sonst noch entkommen war. J. T’s Bericht verschleierte nichts, denn er wußte, daß er diesem Mann trauen konnte. »Davon hat man uns nichts gesagt«, schäumte der ältere Mann. »In den letzten hundert Jahren wurden wir zu Türöffnern degradiert, und wahrscheinlich hat unser König vergessen, daß wir auch andere Dinge sehr gut beherrschen. Wir jedoch waren uns unseres wahren Auftrags immer bewußt und sind jederzeit bereit, für unseren König und seine beiden Enkelinnen zu sterben.«
»Den Rest der Familie können Sie sowieso vergessen«, meinte J. T. »Aber jetzt zum Kern der Sache. Aria soll rund um die Uhr bewacht werden. Schwierig wird es, wenn sie sich in ihren Zimmern aufhält. Ich wünschte, hier gäbe es Polizistinnen oder so etwas. Ich traue keiner ihrer Hofdamen über den Weg.«
»Vielleicht kann ich Ihnen da helfen. Kommen Sie mit.« J. T. hatte zwar Bedenken, Aria mit den vielen Gardisten allein zu lassen, aber er folgte dem Captain.
»Früher einmal«, erzählte der Captain, »gehörten die lankonischen Kämpfer zu den besten in der Welt. Im Lauf der Jahrhunderte haben sich die meisten Männer hier der Landwirtschaft zugewandt. Aber einige von uns haben die alten Traditionen hochgehalten, obwohl unser Ansehen gesunken ist, seit Lankonien neutral ist.«
Der Weg beschrieb eine leichte Kurve, und sie gelangten auf eine kleine Lichtung. Zehn Frauen in kurzen, weißen Tuniken übten sich hier in den gleichen Kampfsportarten wie die Männer.
»Du meine Güte«, rief J. T. fassungslos aus.
Der Captain lächelte verhalten. »Schon vor Jahrhunderten trainierten die Frauen genauso
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