Die Prinzessin
Verschwinden Sie!«
Julian funkelte J. T. wütend an, dann machte er auf dem Absatz kehrt und verließ das Zimmer. Die Wache schloß hinter ihm die Tür, und J. T. glaubte, Zustimmung in den Augen des Soldaten zu entdecken.
»O nein«, stöhnte Aria und sank wieder auf ihren Stuhl. »Jetzt hast du es geschafft. Er wird mich nie heiraten.«
»Gut«, erwiderte J. T. »Du verdienst einen besseren Mann.«
»Und wo finde ich einen besseren Mann als ihn?«
»An jeder Straßenecke in Amerika.«
»Du hast es immer noch nicht verstanden. Ich muß einen Adeligen heiraten. Einen, der die Monarchie unterstützt. Einen, der...«
»Erzähl mir doch mal was über deine Garde«, schnitt ihr J. T. gelassen den Satz ab. »Bilde ich mir das nur ein, oder sehen sie wirklich alle gleich aus?«
»Sie sehen einer wie der andere aus, ja.«
»Wie Teller in einem Porzellanservice?«
»Genau so. Ihre Figur muß die gleichen Maße haben, die Rowan vorzuweisen hatte. Das heißt: Größe ein Meter achtzig; Brustumfang ein Meter dreißig; Taille siebzig Zentimeter. Es ist die größte Ehre für einen lankonischen Jungen, in die Garde aufgenommen zu werden — ihm muß nur die Uniform passen.«
J. T. wurde sehr nachdenklich. »Einen Brustumfang von ein Meter dreißig hat man nicht von Natur aus, der muß antrainiert werden. Besitzen diese Kerle so etwas wie eine Ausbildungsstätte, wo sie trainieren können?«
»Ja. Er heißt >Rowans Übungsplatz«.«
»Schon wieder dieser Rowan«, stöhnte J. T. »Ich glaube, ich habe für heute genug von diesen trockenen Rechnungsbüchern. Wir fahren jetzt ein bißchen aufs Land. Ich möchte mir die Weinberge anschauen, und du könntest mir etwas über die Garde erzählen. Können die Jungs noch mehr, als Türen auf- und zumachen?« Er schob sie aus dem Zimmer.
Arias Zofen waren entsetzt, als sie darauf bestand, einfach nur Rock und Bluse zu tragen. Dazu wählte sie ein Paar flache Schuhe mit dicken Kreppsohlen.
»Aber Hoheit, was werden die Leute von Ihnen denken! Sie wollen doch eine Prinzessin sehen!«
»Sie werden ein menschliches Wesen erblicken«, sagte Aria energisch. Lady Werta sah so aus, als ob sie gleich in Ohnmacht fallen würde. »Nein, ich will auch keine Handschuhe! Frisur ist auch nicht nötig.« Aria fegte aus dem Zimmer, ehe sie doch noch Mitleid mit den entsetzten Hofdamen bekam.
J. T. wartete schon vor der Tür auf sie. Er sprach mit einer Wache. Er blickte sie an, als sie herauskam. »Du siehst großartig aus!« grinste er, und Aria fühlte sich plötzlich ungeheuer beschwingt.
Er hakte sie wie selbstverständlich unter, und sie gingen die Treppe hinunter. Sie entzog sich ihm, nicht, sondern schmiegte sich an ihn, selbst als ihnen Tante Bradley begegnete und indigniert die Augenbrauen hob. Vor den Garagen hatte J. T. einen kleinen Streit mit dem Chauffeur, weil er unbedingt selbst fahren wollte. Wie Aria es nicht anders erwartet hatte, blieb J. T. Sieger.
Er fuhr einen hocheleganten, schnittigen Roadster aus der Garage. »Aber das ist Tante Bradleys Wagen!« entsetzte sich Aria und kam sich sehr wagemutig vor, als sie in das Gefährt einstieg.
Als der Fahrtwind ungehindert durch ihr Haar blies, fühlte sie sich außerordentlich frei und unbeschwert. Ein Tag ohne Verpflichtungen lag vor ihr, neben ihr saß ein gutaussehender Mann, und sie hatte das einengende Korsett zu Hause gelassen.
J. T. sah sie verlangend an, bis er es nicht mehr aushielt. Mit einer oft geübten Geste griff er hinter ihren Kopf, zog sie herüber und küßte sie stürmisch, während er den Wagen lenkte. »Schön, dich mal wieder so zu sehen, Kleines«, sagte er, als er sich von ihr löste.
Sie ließ sich in ihren Sitz zurückgleiten und lächelte glücklich. »Wohin fahren wir eigentlich?«
»Zuerst zum Trainingsplatz der königlichen Garde. Warst du schon einmal dort?«
Sie lachte laut auf, als sie sich erinnerte: »Als ich fünfzehn war, habe ich mich davongeschlichen und die Männer beobachtet. Sie sehen wunderbar aus!«
J. T. lachte. »Die entziehen dir glatt den Rang einer Prinzessin, wenn sie erfahren, was du für ein Kobold bist!«
Der Trainingsplatz der Garde lag etwa eine Meile vom Palast entfernt. Dieser Ort war schon seit Menschengedenken für Turniere und andere Veranstaltungen genutzt worden. An einer Seite stand ein langes, vorne offenes Gebäude.
Als sie in Sichtweite der Männer waren, hielt J. T. an und schaute sich um. Er erblickte etwa hundertfünfzig Männer, alle gleich
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