Die Prinzessin
hielt ihr den Wagenschlag auf.
Aria lehnte sich bequem in den weichen Ledersitz und schloß die Augen. Zum ersten Mal seit ihrer Entführung fühlte sie sich wieder wohl.
Als der Cadillac vor dem Pentagon hielt, half ihr der Chauffeur aus dem Wagen und öffnete ihr die Tür zum Foyer. Er sagte, als sie ihm einen Geldschein in die Hand drücken wollte: »Ich bin schon bezahlt worden.«
Sie lächelte ihm zu und freute sich über diese nette Geste, die in Amerika so selten zu sein schien.
Als sie das Kriegsministerium betrat, bemerkte sie, daß die erholsame Autofahrt nur die Ruhe vor dem Sturm gewesen war. Leute rannten durcheinander, die meisten hatten Akten unter dem Arm. Schreibmaschinen klapperten, und aus Lautsprechern schallten die neuesten Nachrichten.
Sie trat auf einen Tisch zu und fragte nach General Brooks. »Dort drüben«, sagte die Frau und kaute weiter auf ihrem Bleistift. »Fragen Sie dort drüben nach.«
Aria ging den Korridor entlang und fragte erneut. »Ich bin doch nicht sein Sekretär«, fuhr ein junger Mann sie an. »Wissen Sie denn nicht, daß wir Krieg haben?«
Aria machte noch fünf weitere Anläufe, und immer wieder wurde sie abgewiesen. Zweimal versuchte sie durch eine Glastür zu gehen, doch jedesmal stellten sich ihr bewaffnete Wachtposten in den Weg. Schließlich empfahl ihr jemand, in der nächsten Woche wiederzukommen, ein anderer bat sie zu warten, bis der Krieg vorüber war, und zu guter Letzt wurde sie sogar aus der Halle herauskomplimentiert. Aria straffte sich, glättete ihre Jacke und ging wieder hinein. Wenn die Amerikaner die Wahrheit nicht erfahren wollten — dann würde sie ihnen eben eine erfundene Geschichte liefern! Sie stellte sich in die Mitte der Halle und sagte deutlich: »Ich bin eine deutsche Agentin, und ich werde meine Informationen nur an General Brooks weitergeben!«
Plötzlich war kein Laut mehr zu hören. Alle hielten in ihrer Arbeit inne und starrten sie an. Doch dann brach die Hölle los. Soldaten mit Gewehren stürmten vor und umzingelten sie.
»Rühren Sie mich nicht an!« schrie Aria, als die Männer sie an den Armen packten. Sie wurde durch einen langen Korridor gezerrt, und die Leute spähten aus ihren Büros, um einen Blick auf sie zu werfen. Aria war froh, daß der Schleier ihres Hutes ihr Gesicht halb verdeckte. Sie schwor sich, Lankonien nie wieder zu verlassen.
Nach schier endlosen Minuten schubsten die Soldaten sie auf einen Stuhl.
»Ich will sie mir mal genau ansehen«, sagte eine ärgerliche Stimme.
Aria hob den Kopf und lüftete den Schleier, damit General Brooks ihr Gesicht sah. »Wie schön, Sie wiederzusehen«, sagte sie freundlich, als befänden sie sich auf einem Galaempfang, und streckte ihm die Hand entgegen.
Die Augen des Generals wurden groß. »Raus!« fuhr er die Soldaten, die den Raum bevölkerten, an.
»Aber vielleicht ist sie gefährlich«, gab ein Soldat zu bedenken und richtete einen schwarzen Pistolenlauf auf Aria.
»Ich werde schon mit ihr fertig«, erwiderte der General beißend. Als sie allein waren, wandte er sich Aria zu. »Was führt Sie zu mir, Königliche Hoheit? Ich glaubte, Sie seien in Virginia.«
»Nicht ich, sondern eine Frau, die mir sehr ähnlich sieht«, stellte sie richtig.
Der General sah sie lange prüfend an. »Ich lasse uns erst mal Tee kommen, dann können wir uns unterhalten.«
Aria stürzte sich voller Appetit auf das Gebäck und genoß den Tee. Danach stellte der General Fragen. Er ließ sie erzählen, was sich während seines Aufenthalts in Lankonien ereignet hatte, weil er sicher sein wollte, daß sie die echte Prinzessin war.
Um zwei Uhr mittags führte er sie in einen kleinen Salon, in dem sie sich ausruhen konnte. Um halb vier wurde sie in einen Raum geführt, in dem vier Generäle und zwei Männer in Zivil saßen. Dort wurde sie aufgefordert, von der Entführung und der falschen Prinzessin zu erzählen.
Aria zeigte keinerlei Anzeichen von Ungeduld, Ärger oder Müdigkeit. Sie wußte, daß es um alles oder nichts ging. Wenn sie diese Männer nicht überzeugen konnte, daß sie Prinzessin Aria war — dann war alles verloren. Sie würde niemals mehr in ihre Heimat zurückkehren können und ihre Identität verlieren. Lankonien würde eine Betrügerin zur Königin machen — eine Frau, die bestimmt nichts Gutes im Schilde führte.
Sie saß aufrecht und beantwortete alle Fragen — wieder und wieder.
Um zehn Uhr abends wurde sie in ihr Hotel zurückgebracht, blieb aber weiterhin
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