Die Prinzessin
manchmal ein Telefon benutzt, aber immer hatte jemand anders für sie gewählt. Deshalb beobachtete sie interessiert, wie der Mann die Wählscheibe drehte. Er sprach mit seiner Schwester, und Aria ging ins Schlafzimmer.
Die Frau erschien zwei Stunden später. Sie war mürrisch und verdrossen und machte Aria klar, daß sie eigentlich keine Dienerin wäre. Nur die Kriegszeit wäre schuld daran, daß sie sich überhaupt zu einer solchen Arbeit bereit fände. Sie tat zwar alles, was Aria ihr auftrug, aber sie verbarg keineswegs ihren Widerwillen.
Nachdem sie gebadet, ihr Haar gewaschen und ein mittelmäßiges Essen verspeist hatte, konnte sich Aria um vier Uhr nachmittags endlich hinlegen.
Sie hatte gerade die Augen geschlossen, als das schrille Klingeln des Telefons sie aufschreckte. Schlaftrunken meldete sie sich: »Ja bitte? Hier spricht Ihre Königliche Hoheit.«
»Du vergißt das noch nicht einmal, wenn du schläfst, oder?« sagte eine vertraute Stimme.
»Was wollen Sie von mir, Lieutenant Montgomery?« fragte sie und saß plötzlich kerzengerade im Bett.
»Bill hat gemeint, ich sollte dich einmal anrufen, um sicherzugehen, daß alles in Ordnung ist.«
»Es geht mir gut.«
»Hattest du keine Probleme ein Zimmer zu bekommen?«
»Aber nein. Alle waren reizend zu mir.«
»Warst du schon bei General Brooks?«
»Ich werde morgen zu ihm gehen.«
»Morgen? Was hast du denn bis jetzt gemacht?«
Sie wollte ihn anschreien, wollte ihm sagen, daß sie in einer Warteschlange gestanden hatte, ausgelacht worden war, eine Zofe hatte, die ihre Herrin verabscheute, und verdächtigt worden war, ein Feind der Amerikaner zu sein. Doch statt dessen erwiderte sie nur: »Ich habe meine Haare gewaschen und in der Badewanne gesessen.«
»Natürlich! Das hätte ich wissen müssen. Eine wahre Prinzessin stellt eben Luxus über alles andere! Ich werde morgen abend anrufen und fragen, was General Brooks gesagt hat.«
»Bitte bemühen Sie sich nicht. Ich bin sicher, Ihre Regierung wird sehr schnell mit der Betrügerin fertig.«
Er schwieg für einen Moment. »Vermutlich hast du noch keine Zeitung gelesen. Die falsche Prinzessin ist sehr beliebt! Vielleicht gefällt den Amerikanern die falsche ja besser als die echte.«
Sie starrte wütend auf den Hörer, ehe sie ihn mit voller Wucht auf die Gabel schmetterte. »Abscheulicher Kerl«, rief sie und ging in den Salon. Man hatte ihr zusammen mit der Mahlzeit eine Zeitung gebracht, aber sie hatte sie gar nicht beachtet.
Auf der zweiten Seite war das Foto einer Frau, die ihr ziemlich ähnlich sah, abgedruckt. Die Bildunterschrift besagte, daß die charmante Prinzessin Aria von Lankonien als Friedensbotin durch das Land reiste. Sofort erkannte Aria die Frau auf dem Bild — es war ihre Cousine Maude. »Hast du mich nicht immer schon beneidet, Cissy?« fragte sich Aria verwundert, wobei sie den familiären Kosenamen der Cousine gebrauchte. Als sie sich die Fotografie genauer betrachtete, bemerkte sie im Hintergrund die lächelnde Lady Emere, Cissys Tante. Es war offensichtlich, daß sie Cissy abschirmte und Arias Hofdamen von ihr fernhielt, aber irgend jemand mußte doch mißtrauisch werden. »Merkt denn niemand, daß das nicht die echte Aria ist?« sagte sie und schluckte die aufkommenden Tränen hinunter.
Erschöpft ging sie wieder zu Bett, aber sie schlief nicht gut.
Der Morgen brachte neue Probleme. Die Frau, die sie als Zofe angestellt hatte, ging einfach aus dem Zimmer, als Aria sie bat, ihr beim Ankleiden zu helfen. Deshalb brauchte sie drei Stunden, bis sie fertig war. Sie war sehr froh, daß das schwarze Schleierhütchen ihre schlecht frisierten Haare verbarg.
Als sie durch die Hotelhalle schritt, war sie ziemlich unsicher, aber sie trug den Kopf hoch und straffte die Schultern. Der Türsteher verstand sie sogleich. Als sie ihm sagte, daß sie zu General Brooks wollte, zog er eine Trillerpfeife aus der Tasche, und in Sekundenschnelle hielt ein Taxi vor dem Portal. Aber Aria deutete auf einen langen, schwarzen Cadillac mit Chauffeur, der auf der anderen Straßenseite wartete, und sagte, daß sie mit diesem Wagen fahren wollte. Der Türsteher ging zum Chauffeur und sprach mit ihm. Als er zurückkam, verkündete er: »Er wird Sie zum Pentagon bringen.«
Aria hatte bemerkt, daß alle Amerikaner erwarteten, für ganz selbstverständliche Dienste bezahlt zu werden. Deshalb gab sie dem Türsteher eine der Banknoten, auf die zwei Nullen gemalt waren. Der Mann nickte dankbar und
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