Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
Vom Netzwerk:
dieser gescheiterten Existenz herauszuholen war. Er war fertig mit Michael Hogan und ließ die Schwester rufen.
    Vielleicht hatte Michael geglaubt, seine Qualen hätten nun ein Ende, doch als ihn Vidals Männer packten und wieder in den Keller zerrten, musste er den schrecklichen Irrtum erkennen. Jedenfalls begann er, wie am Spieß zu schreien und wehrte sich mit allem, was sich an seinem geschundenen Körper noch bewegen ließ. Seine schwachen Kräfte reichten nicht aus. Kurze Zeit später lag er wieder als kunstvoll verschnürtes Paket am Boden.
    Die Schwester überlegte kurz, bevor sie das Seil endgültig festzurrte. Die Wirkung der Droge musste mit berücksichtigt werden, wenn sie den Auftrag korrekt zu Ende führen wollte. Das Objekt war wieder verstummt. Die Fesselung würde es in der beabsichtigten Zeit strangulieren. Noch einmal kontrollierte sie ihr Werk, dann trat sie befriedigt zurück. Das Kunstwerk war vollendet, einzig die Signatur fehlte noch. Zum zweiten Mal nahm sie den Dolch aus dem roten Köfferchen. Mit einem schnellen, sauberen Schnitt, wie ihn kein Chirurg präziser geführt hätte, schnitt sie ihm die Hoden ab und legte sie sorgsam neben den Kopf des Objekts, damit es sie im Auge behalten konnte in den letzten Stunden seines Lebens. Sie wischte das wenige Blut auf der Klinge an seinen Kleiderfetzen ab und legte den Dolch wieder an seinen Platz im Koffer.
    Für einen kurzen Moment verharrte ihre Hand auf dem Griff der Waffe, dem einzigen Gegenstand, der ihr von ihrem Vater geblieben war. Hätte er ihre tadellose Arbeit sehen können, er wäre stolz gewesen auf seinen Sohn. Aber sein Sohn war für ihn in dem Augenblick gestorben, als er ihn zum ersten Mal in Frauenkleidern sah. Er konnte nicht akzeptieren, dass sie im falschen Körper geboren worden war, und dieser Dolch hatte ihn schließlich erlöst von seiner Qual. Sie warf die Plastikschürze zu den Kleidern am Boden und verließ den Keller.
    Vidal wollte sofort aufbrechen, aber er und seine Leute mussten warten, bis die Schwester ihre rituelle Waschung vollzogen hatte. Allmählich wich die Anspannung, die ihn während des ganzen Aufenthalts in diesem Haus nicht losgelassen hatte. Die Spezialistin hatte auch hier hervorragende Arbeit geleistet, ihr Einsatz zahlte sich aus. Dieses düstere Kapitel war Vergangenheit, er konnte sich unbeschwert der Zukunft zuwenden. Mit einem zufriedenen Lächeln griff er zum Telefon.
    Francesca schwenkte eben in die Ausfahrt Pfäffikon ein, als Vidals Anruf sie erreichte. Seine Geschäfte in der Schweiz waren erledigt, er erwartete sie in zwei Stunden auf dem Flughafen. Ohne auch nur einen weiteren Gedanken an Michaels Haus im nahen Feusisberg zu verschwenden, wendete sie im Dorf und lenkte den Wagen auf die Autobahneinfahrt Richtung Zürich. Sie ahnte nicht, dass die bekannte Limousine ihres neuen Lovers nur wenige Minuten später den gleichen Weg einschlagen würde.
München
    Schaudernd beobachtete Daisy, wie Charlie seine Weißwurst sorgfältig aus der dünnen Haut schälte. Würste gehörten nicht auf ihren Speiseplan, und die blassen, weißen Schläuche im Teller ihres Gegenübers schon gar nicht. Es war Mittag, und der Garten der Pfistermühle beim Hotel Platzl wie immer um diese Zeit gut besetzt.
    »Wie kannst du so was essen?«, fragte sie angewidert. Er schwenkte das Wurststück an der Gabel im süßen Senf, steckte es in den Mund, schloss entzückt die Augen und antwortete kauend:
    »Delikat.«
    Sie legte ihr Besteck zur Seite. Selbst der frische Salat schmeckte ihr nicht mehr. »Ich hoffe, du weißt, was du tust«, murrte sie. Er trank einen großzügigen Schluck Ayinger und leckte sich genussvoll den Schaum von den Lippen. Als er sich über den Tisch beugte und sie anblickte, lag ein ernster, fast trauriger Ausdruck auf seinem Gesicht.
    »Da bin ich nicht so sicher, Daisy. Ich brauche deinen Rat.«
    »War schon klar, dass du mich nicht einfach so zum Essen einlädst«, spottete sie.
    »Im Ernst, ich bin froh, dass du Zeit gefunden hast.« Er zögerte, bevor er weitersprach. »Du bist doch eine Frau«, sagte er schließlich gequält. Sie lachte laut auf.
    »Ist das eine biologische Frage?«
    »Ich meine, du weißt, wie Frauen ticken.« Sie ließ das zweifelhafte Kompliment genüsslich verklingen und erfreute sich an seinem roten Kopf, bevor sie entgegnete:
    »Charlie, Charlie, was willst du?« Er wand sich, rang um die richtigen Worte, bis er endlich mit seinem Problem herausrückte:
    »Lauren, ich

Weitere Kostenlose Bücher