Die Probe (German Edition)
Charlie die Abzweigung gleich nach der Ortstafel. Bei der Kirche wendete er und fuhr langsam zurück. Er brauchte nicht lange zu suchen, denn vor ihm tauchten plötzlich zwei Polizeiautos und ein Notarztwagen auf, die mit Blaulicht und heulenden Sirenen die schmale Seitenstrasse den Hang hinauf fuhren. Nichts Gutes ahnend folgte er ihnen in kurzem Abstand. Die Fahrzeuge hielten auf dem Parkplatz des großen Landhauses am Ende der Strasse neben einem weiteren Polizeiauto. Es war das einzige Wohnhaus an dieser Sackgasse, Michaels Haus.
Als er anhielt, eilte sofort ein Uniformierter auf ihn zu und wollte ihn weg weisen, doch da er sein Englisch nicht verstand, winkte er einen der zivilen Beamten herbei, der sich als Kommissar Tobler vorstellte.
»Wer sind Sie, und was wollen Sie hier?«, fragte er Charlie ziemlich unfreundlich.
»Conway, Dr. Conway. Ich suche Michael Hogan.« Der Kommissar schaute ihn prüfend an.
»Und was wollen Sie von Mr. Hogan?«
»Ich bin ein alter Bekannter von ihm und wollte ihn einfach mal überraschen.«
»Überraschen«, wiederholte der Kommissar mit unverhohlenem Misstrauen. »Und ausgerechnet heute. Das ist schon seltsam.« Charlie verlor allmählich die Geduld mit dem rüden Beamten.
»Hören Sie«, erwiderte er ungehalten. »Michael und ich sind im gleichen Ort in Wales aufgewachsen und zusammen zur Schule gegangen. Das können Sie gerne nachprüfen. Was ist denn geschehen? Stimmt etwas nicht mit Michael?« Statt zu antworten, bedeutete ihm der Kommissar, auszusteigen und ihm zu folgen. Sie stiegen über das rot-weiße Plastikband, das den Zugang zum Haus versperrte und gingen hinein.
»Nichts anfassen!«, schärfte er ihm ein. »Warten Sie hier, ich bin gleich zurück. Wir haben ein paar Fragen an Sie.« Er verschwand mit zwei Leuten, die offensichtlich zum Team der Spurensicherung gehörten und ließ ihn im Wohnzimmer stehen. Ein junger Mann in der Uniform eines Postboten trat auf ihn zu. Mit einem verlegenen Grinsen fragte er ihn etwas in einem Dialekt, der ihn entfernt an eine Mischung aus Holländisch und Gälisch erinnerte, und von dem er konsequenterweise kein Wort verstand. Der Mann lachte, als er sein verwirrtes Gesicht sah und fragte in fließendem, nahezu akzentfreiem Englisch:
»Sind Sie Engländer?«
»So etwas Ähnliches, Walise, aber ich bin der englischen Sprache durchaus mächtig, wie Sie hören«, scherzte er, froh, einen gesprächigen Menschen getroffen zu haben.
»Sie sind wohl auch ein Zeuge.«
»Zeuge wofür? Was ist eigentlich los hier?« Der Postbote setzte eine verschwörerische Miene auf und begann ausführlich zu schildern, was er auf seiner Tour erlebt hatte.
»Wissen Sie, ich fürchte, ich habe dieses ganze Theater ausgelöst«, seufzte er. »Ich habe mich schon gewundert, weshalb der Briefkasten seit Tagen nicht mehr geleert worden ist. Mr. Hogan ist ein sehr ordentlicher Mensch. Und als ich heute Mittag den schwarzen Rauch aufsteigen sah, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Es war ja niemand zu Hause, wie sollte da Rauch aus seinem Kamin aufsteigen, noch dazu mit einem beißenden Gestank, als verbrenne jemand alte Socken?« Er schaute ihn fragend an und fuhr erst weiter, als Charlie verständnisvoll nickte. »Jedenfalls habe ich die Polizei alarmiert. Man weiß ja nie. Als die den Namen Hogan hörten, konnten sie nicht schnell genug hier sein.«
»Und, wo ist Mr. Hogan jetzt?«, drängte Charlie, bevor die Geschichte allzu sehr ausuferte.
»Man weiß es nicht, man hat ihn nicht gefunden, das ist ja das Unheimliche. Als die Streife eintraf, haben sie lange geklingelt und gerufen, sind ums Haus gelaufen. Nichts, keine Menschenseele. Dann drückt einer die Türklinke, und siehe da, die Haustür springt auf. Nicht abgeschlossen!« Wieder warf er Charlie einen vielsagenden Blick zu. »Sie gehen rein und finden das hier.« Er zeigte auf den offenen Kamin. Charlie trat neugierig näher. Neben einem Häufchen Asche lagen angekohlte Plastik- und Stofffetzen. Weiße Stofffetzen, die von einem Hemd zu stammen schienen. Er fand es schon merkwürdig genug, dass Michael Stoff und Kunststoff in seinem Designerkamin verbrannte, aber die dunklen Flecke auf einem der Fetzen stimmten ihn sehr nachdenklich.
»Ist das ...«
»Blut, ja«, unterbrach ihn der Postbote eifrig. »Sie können sich nicht vorstellen, wie blitzschnell die Streife die Kriminaler angefordert hat, als sie das gesehen haben.« Charlie betrachtete die Reste im Kamin nochmals genauer, nur um
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