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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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zitterten leise und aus dem Mund vernahm man stoßweise kratzendes Röcheln. Vidal wandte sich angewidert ab und versuchte, sich auf sein Vorhaben zu konzentrieren. Laut und deutlich stellte er zum x-ten Mal die gleiche Frage:
    »Wo ist das Geld?« Michael stöhnte auf. Er versuchte offensichtlich, etwas zu sagen, doch die Halsschlinge erlaubte es nicht. Seine Peinigerin löste die Fesselung mit einem geübten Handgriff gerade soweit, dass ihr Opfer sich ein wenig entspannen und sprechen konnte. Erst nach einem heftigen Hustenanfall gelang es Michael, auf Vidals Frage zu antworten. Keuchend und hechelnd versuchte er, ein paar verständliche Wörter zu formulieren:
    »Alles – weg – verloren – nur noch Haus ...«
    Der Kerl war zäher, als Vidal angenommen hatte. Er warf ihm einen verächtlichen Blick zu, sprach ein paar Worte mit der Schwester und verließ den Raum.
    Die Sensei benötigte nicht viel Zeit, um die zweite Phase einzuleiten. Wenige Handgriffe genügten, um das Objekt in noch schmerzhafterer Position zu fixieren, die Wirbelsäule gekrümmt bis zum Bersten, die Kehle bis auf die kleinstmögliche Öffnung zugeschnürt. Das Gebrüll des Gepeinigten wandelte sich rasch zu einem langgezogenen, tiefen Klagelaut, bis auch der erstarb. Sie ließ das zuckende, in Todesangst nach Luft ringende Bündel liegen und zog sich wieder auf ihr Zimmer zurück. Diesmal gab sie sich eine halbe Stunde Zeit für die Vorbereitung auf die nächste Aufgabe.
    Bevor Vidal seine Frage erneut stellen konnte, verbrachte die Schwester ein paar Minuten allein mit ihrem Objekt. Sie wusste, dass diese Fesselung unter anderem Lähmungen im Unterleib verursachte und war deshalb auf der Hut, als sie die Spannung des Seils reduzierte. Wie sie erwartet hatte, begann das Objekt sogleich Wasser zu lassen. Seine Schließmuskeln versagten den Dienst, ein sichtbares Zeichen, dass es die Kontrolle über die untere Hälfte des Körpers verloren hatte. Bevor sie die Tür öffnete, lockerte sie die Halsschlingen, damit das Objekt sprechen konnte. Außer gequältem Lallen und zusammenhanglosen Wortfetzen war in diesem Zustand jedoch nichts aus ihm herauszuholen.
    Als Vidal den nassen Fleck am Boden sah, begriff er, weshalb seine Leute einen Eimer Wasser bereitstellen mussten. Schaudernd haftete sein Blick auf der verkrüppelten Gestalt mit den hervorquellenden Augen, die einmal der smarte Finanzhai Michael Hogan gewesen war. Er schüttete das kalte Wasser über das jammernde, zitternde Knäuel. Diesmal brauchte er nicht mehr zu fragen. Mit äußerster Anstrengung und unter qualvollen Zuckungen stieß Michael immer wieder das gleiche Wort hervor, das er erst nach einigen Wiederholungen verstand: »Computer!«. Geht doch, dachte er zufrieden. Er gab der Schwester ein Zeichen, und sie band das hilflos am Boden liegende Opfer los.
    Vidals Männer warfen Michael einen Bademantel über und schleppten ihn in die Wohnung hinauf, an seinen Arbeitsplatz, wo der Computer auf seine Befehle für die Geldtransfers wartete. Vidal setzte sich ans Gerät, denn Michael war nicht in der Lage, seine Hände zu benutzen. Jeden Schritt musste er diktieren, doch auch das schaffte er nicht auf Anhieb. Er sprach quälend langsam, oft unverständlich, hatte immer wieder Aussetzer. Es war Zeit für seine eigene Methode, entschied Vidal. Der Mann brauchte eine kleine Aufmunterung. Er ging ins Bad, holte ein blaues Döschen mit reichen Goldverzierungen aus der Anzugtasche und öffnete es sorgfältig. Er nahm einen der kleinen Beutel heraus, leerte den Inhalt in ein Glas und löste die synthetischen Eiskristalle mit wenig Wasser auf. Dann zog er die Spritze auf, die sich zusammen mit dem Crystal Meth im Döschen befand. Diese hochkonzentrierte Variante von Methamphetamin würde seine Geister augenblicklich wecken und ihn zum Reden bringen, jetzt, nachdem sein Wille gebrochen war. Einer der Wachmänner musste Michaels Arm mit aller Kraft still halten, als er ihm die Droge spritzte, denn er konnte das Zittern und die Zuckungen nicht mehr kontrollieren, selbst wenn er gewollt hätte. Das Crystal wirkte schnell. Michael schien wieder klarer denken zu können, seine Anweisungen klangen zunehmend verständlicher.
    Nach einer guten Stunde waren alle privaten Bargeldbestände und seine liquiden Wertpapiere im Gegenwert von 396 Millionen Dollar auf Vidals Konten transferiert. Wesentlich weniger als die eingesetzten fünfhundert Millionen, aber Vidal war überzeugt, dass nicht mehr aus

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