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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Verletzungen soeben erlegen.« Aus der schweren Misshandlung war ein Mord geworden, so wie es die Spezialistin geplant hatte.
An Bord der ›Victory‹
    Eines Tages würde sie die verworrenen Regeln des Polospiels wohl auch begreifen, dachte Francesca ohne echte Begeisterung, als sie sich an der Bar den zweiten Gin Tonic mixte. Vidal saß entspannt auf den dicken Lederpolstern des Salons im hinteren Teil seiner ›Victory‹. Er hatte den Piloten in ein angeregtes Gespräch über den anstehenden Royal Windsor Cup verwickelt, während der Kopilot die Gulfstream 550 nach London steuerte.
    »Ich bin überzeugt, Ihr Team wird den Final dieses Jahr problemlos erreichen. Dieser Pablo scheint unbezwingbar«, sagte der Pilot, als sie sich wieder dekorativ an ihren Liebhaber kuschelte.
    »Das habe ich auch geglaubt, bis diese bezaubernde Lady hier aufgetaucht ist«, grinste Vidal und legte ihr zärtlich den Arm um die Taille. »Pablo war außerordentlich beeindruckt von seiner ersten Begegnung mit ihr.«
    »Eifersüchtig?«, spottete sie und schlug provozierend die Beine übereinander. Der leichte Stoff ihres Kleides glitt so weit über das Knie, dass der Pilot erschrocken den Blick senkte.
    »Eifersüchtig? Keineswegs, ich mache mir nur Sorgen um Pablos Konzentrationsfähigkeit, wenn du am Spielfeld stehst.«
    »Im Gegenteil, er wird zu seiner Höchstform auflaufen«, lachte sie und strich das Kleid wieder züchtig glatt. Der Pilot zog sich diskret ins Cockpit zurück, als fürchtete er weitere peinliche Einblicke. Schmunzelnd schaute sie ihm nach. Sie liebte diese kleinen Spiele, mit denen sie das andere Geschlecht beherrschte wie ein Puppenspieler seine Marionetten. Ihr Blick blieb am Sitz neben der Cockpittür hängen. Obwohl nur die hochgelegten Füße zu sehen waren, durchfuhr sie ein kalter Schauer, als sie an das fahle Gesicht mit den undurchdringlichen schwarzen Augenhöhlen dieser Frau dachte, die dort Platz genommen hatte. Seit dem Start in Zürich hatte sie sich nicht mehr gerührt. Unaufhörlich leierte die monotone Stimme eines Sprechers aus dem Lautsprecher ihres Fernsehgeräts, hie und da unterbrochen von gurgelndem Geschrei und frenetischem Jubel. Wer war diese sogenannte Schwester?
    »Was glotzt sie da?« meckerte Francesca unvermittelt, ohne den Blick vom Sitz der Frau abzuwenden. »Kopfhörer kennt sie wohl nicht.«
    »Sumo, sie läst sich jeden Spitzenkampf aufzeichnen«, flüsterte Vidal tonlos.
    »Warum redet sie nicht?«
    »Sie meditiert.«
    »Die macht mir Gänsehaut.«
    »Das ist manchmal ganz gut fürs Geschäft.« Sie schaute ihn fragend an. Er schien nicht zu scherzen.
    »Wie meinst du das?«
    »Ach, es gehört zu ihrer Verhandlungstaktik, ihr Gegenüber zu verunsichern. Damit ist sie sehr erfolgreich.« Er sagte das in beinahe abweisendem Ton. Das Thema behagte ihm offensichtlich nicht. »Sie ist auf dem Weg zurück nach Japan. Aber reden wir lieber von uns. Wie war dein Besuch in der Bank?« Sie brauchte nicht zu antworten, denn in diesem Augenblick klingelte Vidals Satellitentelefon, das stets in Griffweite lag. Er warf einen kurzen Blick auf das Display, drückte die Empfangstaste, sprang auf und zog sich in die hinterste Ecke der Kabine zurück. Sie sollte offensichtlich nicht hören, worum es ging, aber sein zufriedener Gesichtsausdruck ließ auf eine erfreuliche Nachricht schließen.
    »Gute Geschäfte?«, fragte sie beiläufig, als er zurückkehrte. Er schaute sie verwirrt an, dann fasste er sich und antwortete lächelnd:
    »Ausgezeichneter Abschluss. Entschuldige, ich muss sie informieren.« Er eilte nach vorn, verbeugte sich neben dem Sitz der Frau, als grüsste er einen hohen Würdenträger und wartete, bis sie ihn ansprach. Wie macht diese Hexe das? , fragte sich Francesca mit zunehmendem Befremden, aber auch unverhohlener Bewunderung für die Macht dieser Person. Der langweilige Sumo-Kommentator verstummte. Vidal durfte sprechen. Sie verstand nichts von der kurzen Unterhaltung, aber am Ende geschah etwas, das sie unwillkürlich zusammenfahren ließ. Er zog ein blaues Döschen – das blaue Döschen – aus der Tasche, öffnete es und hielt es der Frau hin. Sie sah, wie ihre Hand mit einem schnellen Griff etwas herauspickte; ein Sperber, der sich die Maus krallte. Mit einer letzten Verbeugung wandte er sich von ihr ab. Der Fernseher blieb stumm. Immerhin , dachte sie grimmig. Diese Geheimniskrämerei gefiel ihr ganz und gar nicht. Sie musste sich mehr um seine Geschäfte kümmern. Die

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