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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Rolle der ahnungslosen Mätresse mochte ihre Reize haben, aber für sie war sie nur Mittel zum Zweck. Ihr Ziel war Macht. Die Puppen tanzen lassen würde sie, und niemand sollte auch nur versuchen, sie daran zu hindern.
    »Ich müsste auch mal dringend Zürich anrufen, wegen der Wohnung«, flunkerte sie, schnappte das Telefon und entfernte sich. Kurzerhand wählte sie die Nummer des zuletzt empfangenen Anrufs, +4143 ..., eine Nummer in der Schweiz, Zürich.
    »Gut, dass Sie zurückrufen, Monsieur Vidal«, begrüßte sie eine bekannte Stimme, bevor sie ein Wort sagen musste. Die Stimme von Vidals Chauffeur in Zürich. »Es ist soeben an die Presse durchgesickert. Ritualmord in Feusisberg? , titelt der ›Blick‹. Die Polizei tappt im Dunkeln, sie haben keine Spur.« Ihr Atem stockte. Kein Laut kam über ihre Lippen. Die nüchterne Mitteilung schnürte ihr die Kehle zu, und ihr Puls begann zu rasen. Mit zitternder Hand unterbrach sie die Verbindung. Fieberhaft suchte sie die Nummer von Michaels Büro am Zürichberg auf ihrem Handy und tippte sie ins Satellitentelefon. Die Buchhalterin bestätigte ihr völlig aufgelöst, was sie ohnehin schon vermutete: Michael war in seinem Haus ermordet worden. Aus alter Gewohnheit löschte sie automatisch die Liste der letzten Anrufe im Telefon, bevor sie blass und fröstelnd zur Toilette taumelte. Sie brauchte dringend einen kräftigen Kick gegen die aufkeimende Depression. Vielleicht war es auch einfach Angst, nackte Angst, ein Gefühl, das sie schon nicht mehr zu kennen glaubte.
München
    »Allein in diesem Land sind bis zum Jahr 2007 Solarzellen mit 2700 Megawatt Leistung installiert worden. Das entspricht zwei Atomkraftwerken«, dozierte Lauren und hoffte, dass sich die jungen Leute vor ihr im Auditorium von ihrer Begeisterung anstecken ließen. Die Abiturienten des Heinrich-Heine-Gymnasiums waren ein kritisches Publikum, wie sie mit Freude bemerkt hatte, und sie schienen keine Mühe zu haben, ihrem englischen Vortrag zu folgen. Die Wortführer jedenfalls löcherten sie mit Fragen. Sie hatten keine Hemmungen, sie zu unterbrechen, wenn ihnen eine Aussage verdächtig oder unverständlich erschien. Prompt ertönte ein Zwischenruf, den sie im Grunde erwartet hatte:
    »Zwei Atomkraftwerke, aber nur wenn die Sonne scheint!« Gelächter.
    »Ihr Kommilitone hat schon recht. Die Sonne scheint nachts nicht, aber soll uns das davon abhalten, ihre Energie zu nutzen, wenn sie uns tagsüber in jeder Stadt und auf jedem Bauernhof zur Verfügung steht? Vergessen Sie nicht, dass die Sonne in einer einzigen Stunde mehr Energie auf die Erde strahlt, als die Menschheit in einem ganzen Jahr verbraucht. Und das kostenlos, nachhaltig und für alle praktischen Anwendungen ewig.« Sie war zutiefst überzeugt, dass die Energiezukunft Solarenergie hieß, und das wollte sie diesen Heißspornen unbedingt klar machen. »Der Einwand führt zu zwei ganz entscheidenden Problemen, die wir bewältigen müssen, bevor die Solarenergie die fossilen und atomaren Energiequellen ersetzen kann. Die wirksame und kostengünstige Umwandlung von Sonneneinstrahlung in elektrischen Strom ist zwar jetzt in Reichweite ...« Sie machte eine Kunstpause und schob dann lächelnd mit einer kleinen Verbeugung ein: »dank unserer Entwicklung.« Das Publikum trommelte anerkennend auf die Pulte. »Aber die Sonne scheint nicht kontinuierlich, wie Ihr Kollege aufmerksam festgestellt hat.« Wieder Gelächter. »Das Dilemma können wir lösen, wenn wir einen Weg finden, die Sonnenenergie direkt oder die erzeugte elektrische Energie ohne große Verluste zu speichern und zu transportieren. Speicherung und Transport, zwei heiße Forschungsgebiete, an denen Sie sich in Zukunft die Zähne ausbeißen können. Auch daran wird mit Hochdruck gearbeitet, aber nicht hier. Es gibt bereits vielversprechende Ansätze mit neuartigen Katalysatoren zur Spaltung von Wasser für die Energiespeicherung, und die Stromkonzerne werden Milliarden investieren müssen, um intelligente Netzwerke aufzubauen und die Übertragungsverluste weiter zu minimieren. Schon heute wird Strom über ganze Kontinente und Zeitzonen hinweg automatisch vom Erzeuger zum Verbraucher geleitet. Das intelligente Netz selbst wird damit zu einem dynamischen Speicher. Und nebenbei diszipliniert es die Politiker, denn die Staaten müssen sich wohl oder übel miteinander arrangieren.« Sie hatte ohne Punkt und Komma geredet und das Thema etwas aus den Augen verloren, aber die Zuhörer hingen

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