Die Probe (German Edition)
sein Material auch den größten Teil der infraroten Strahlung für die Stromerzeugung nutzte, also Wärme absorbierte.
Einer ihrer Mitarbeiter begann, die schwarze Folie auf die Südwand des Hauses zu kleben.
»Wollt ihr da drin Brot backen?«, rief ein Techniker, als er aus dem Schatten seines Solarzellenwaldes trat und das Treiben am Haus mit ungläubigem Staunen verfolgte. Es war der Engländer, der Lauren schon mehrfach durch seinen beißenden Spott aufgefallen war.
»Unsere neue Klimaanlage«, antwortete sie gleichmütig, als genügte diese Erklärung.
»Na, ist ja nicht meine Wohnung.« Kopfschüttelnd ging er weiter.
»Mal sehen, was du in zwei, drei Wochen sagst«, murmelte sie belustigt. Sie glaubte unerschütterlich an ihren Erfolg, denn die letzten Labormessungen bestätigten die Erwartungen. Die einzige große Unbekannte war der Einfluss des Klimas auf die Stabilität und Leistung ihrer Zellen, den sie hier untersuchen wollten.
Sie holte das Fahrrad aus dem Vorraum und klemmte einen Korb auf den Gepäckträger.
»Ich fahre kurz zum Gemeindehaus«, sagte sie zu ihrem Mitarbeiter. Es gab ein Problem mit den Papieren ihres indischen Informatikers. Das Dorf Amareleja lag gleich neben der Solarfarm. Fünf Minuten mit dem Fahrrad, nie ohne Einkaufskorb. Sie hatte einen urgemütlichen Tante-Emma-Laden entdeckt, der sich großartig Supermercado nannte, voll lokaler Köstlichkeiten, vom frischen Brot über die liebevoll zubereiteten, unwiderstehlichen Häppchen, den göttlichen Ziegenkäse bis zum süffigen Rotwein aus Granja Amareleja. Unmöglich, achtlos an diesem Laden vorbeizugehen. Diese Auslagen riefen nach ihr, redeten zu ihr, genauso wie die betagte Benedita, die zu jeder Zeit lächelnd hinter der Theke stand und ein wenig Englisch sprach. Nein, der Korb durfte keinesfalls zu Hause bleiben.
Ihr Telefon klingelte. Das Institut in München.
»Ich weiß nicht, ob es wichtig ist«, sagte die bekannte Stimme aus der Telefonzentrale. »Gestern hat ein Herr Vidal angerufen und Sie verlangt.«
»Vidal? Was wollte er?«
»Das sagte er nicht. Er wollte nur mit Ihnen sprechen, wollte auch nicht zurückgerufen werden. Ich habe versucht, zu Ihnen durchzustellen, aber Sie waren nicht erreichbar.«
»Außeneinsatz. Wird wohl nichts Wichtiges gewesen sein.«
»Ich weiß nicht.« Die Telefonistin zögerte. »Er ließ sich nicht abwimmeln, bis ich ihm die Nummer Ihrer Zentrale in Amareleja gegeben habe, sorry.«
»Schon O. K. Wenn er etwas will, soll er sich hier melden, danke.« Sie dachte nicht weiter darüber nach. Einer unter vielen Anrufern, die sich für ihre Arbeit interessierten. Sie stieg aufs Fahrrad und trat in die Pedale. Die Morgenluft fühlte sich angenehm kühl an, obwohl das Thermometer schon wieder gegen dreißig Grad kletterte. Sie schwitzte unter dem breitkrempigen Sonnenhut und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob sie sich nicht doch den frechen Kurzhaarschnitt zulegen sollte, der ihr in einer Zeitschrift auf dem Flug hierher aufgefallen war. Was würde Charlie dazu sagen? Was kümmert mich das?, dachte sie verblüfft. Immer wieder musste sie an den Jugendfreund denken, den sie nach einem halben Leben als reifen Mann wieder getroffen hatte, hier in Portugal. Vielleicht war es das, die Assoziation zu diesem Land, simple Geografie. Nicht sehr überzeugend, Lauren .
Vom Gemeindehaus waren es nur ein paar Schritte zu Beneditas Laden. Marina döste im Schatten neben dem Eingang, die Schnauze nur eine Haaresbreite über dem Wassernapf. Freudig erregt sprang das Tier auf, als Lauren das Fahrrad an die Mauer lehnte. Sie war eine Hirtenhündin und schon lange pensioniert, doch im Gegensatz zu ihrer Herrin pflegte sie nur die guten Kunden angemessen zu empfangen. Lächelnd kraulte Lauren das seidig glänzende, schwarze Fell, worauf sich Marina mit einem zufriedenen, leisen Winseln wieder hinlegte.
»Sie mag Sie, Dr. Lauren«, begrüßte sie ein junger Mann, der geschäftig auf sie zueilte, um sie vor seiner Mutter abzufangen. Den Doktor hatte sie den guten Leuten nicht austreiben können, aber sie nannten sie wenigstens beim Vornamen. Beneditas Jüngster sollte irgendwann einmal den Laden übernehmen, das hatte sie gleich beim ersten Besuch erfahren. Eduardo war ein guter Verkäufer. Nicht zuletzt ihm verdankte sie es, dass sie wie eine Süchtige nicht mehr an diesem Haus vorbeigehen konnte, ohne sich eine Kleinigkeit zu besorgen.
»Den müssen Sie unbedingt versuchen«, sagte er, während er ein
Weitere Kostenlose Bücher