Die Probe (German Edition)
wenig Rotwein aus einer unbekannten Flasche in ein Gläschen goss. »Der passt am besten zu Ihrem Lieblingskäse, glauben Sie mir.« Dass es ihm keineswegs nur ums Geschäft ging, konnte sie an seinen strahlenden Augen ablesen.
»Eduardo, was machst du da!«, rief seine Mutter entrüstet aus dem Hintergrund. Die paar Worte verstand Lauren, aber das folgende Trommelfeuer überstieg ihre Kenntnisse der portugiesischen Sprache bei weitem. Eduardo ließ sich nicht beirren und wartete geduldig auf ihr Urteil.
»Sie meint, es sei zu früh für einen Schluck Wein«, flüsterte er. »Nun, was meinen Sie?« Es war wirklich zu früh, ihr Gaumen schien noch zu schlafen, aber sie ließ sich eine Flasche einpacken.
»Senhora, kommen Sie, Sie müssen unbedingt Marcelo begrüßen!«, rief Benedita und winkte sie herbei. Neben ihr wartete ein drahtiger Mann, der die Schirmmütze tief ins zerfurchte Gesicht gezogen hatte. Die Haut dunkel gegerbt von der Sonne, stand er stolz und ein wenig unnahbar da wie ein knorriger, alter Olivenbaum. »Marcelo ist der Mann, der Ihren Ziegenkäse macht«, erklärte sie in ihrem holprigen Englisch. Lauren stellte bald fest, dass auch Marcelo viel zu erzählen hatte. Er lebte einsam auf einem kleinen Bauernhof nahe dem Dorf, kam einmal in der Woche auf den Markt und benutzte die Gelegenheit, ausgiebig zu plaudern. Sie hörte ihm gern zu, auch wenn die Konversation mit Benedita als Übersetzerin zuweilen arg stockte. Wenn er betroffen und ehrfürchtig von verheerenden Waldbränden sprach, die schon mehrmals beinahe seine Oliven zerstört hätten, glaubte man noch das Feuer prasseln zu hören. Sie hätte dem charismatischen Erzähler wohl noch lange zugehört, hätte sie nicht Eduardo unvermittelt nach weiteren Wünschen gefragt. Erschrocken schaute sie auf die Uhr und verabschiedete sich eilig. Du bist hier nicht in den Ferien , dachte sie verlegen, als sie wieder aufs Fahrrad stieg. Obwohl, schaden würde es nicht, wenn sie ihre Prioritäten hin und wieder etwas verlagerte.
Die schnurgerade Strasse führte vom Dorf eine kleine Böschung hinunter direkt in den künstlichen Wald der Solarfarm. Entspannt ließ sie sich im Leerlauf hinunterrollen und versuchte, sich allmählich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren. Sie konnte nicht ahnen, dass sie aufmerksam von zwei Männern beobachtet wurde, die ihren weißen Tiguan ein Stück weiter oben an der Strasse geparkt hatten.
KAPITEL 13
Würzburg
D er alte Herr mit der roten Baskenmütze beobachtete den smart gekleideten Rotschopf mit der sportlichen Figur argwöhnisch, als er aus dem Taxi stieg und unschlüssig vor dem Haus der schönen Engländerin stehen blieb.
»Eine Hausnummer suchen Sie vergeblich, junger Mann«, bemerkte er trocken, als er neben ihm stand. Der Mann schaute ihn verständnislos an und sagte:
»Excuse me?«
»Ach, Sie sind Engländer«, antwortete er auf Englisch. Seine Stimme klang schon wesentlich freundlicher. »Suchen Sie jemanden?«
»Ja, wissen Sie zufällig, ob eine Miss Hayman hier wohnt?«
»Sie wollen zu Daisy Hayman? Ja, da haben Sie Glück.« Er zeigte zum Haus, wo die Gesuchte eben zur Tür herauskam. »Sie scheint endlich wieder da zu sein. Die jungen Leute sind dauernd unterwegs heutzutage, immer auf Achse, wie es heißt. Beatus ille, qui procul negotiis!«
»Glücklich jener, der nichts zu tun hat«, übersetzte der Fremde lachend.
»Auch ein Lateiner? Da sehen Sie es. Ich frage mich, weshalb die Menschen das Englische erfinden mussten, wo sie doch bereits eine schöne Universalsprache hatten.« Kopfschüttelnd folgte er seinem Hund nach Hause. Nach ein paar Schritten drehte er sich nochmals um und rief Daisy zu: »Wir holen das morgen nach.«
»Was war das denn?«, grinste Charlie verwirrt, als er seine ehemalige Mitarbeiterin begrüßte.
»Der Professor. Er und sein Hund geben mir Deutschunterricht.« Sie nahm die Zeitung aus dem Briefkasten und erzählte ihm auf dem Weg zur Wohnung die Geschichte vom skurrilen Lehrer, der es nicht lassen konnte.
Es musste dem segensreichen Wirken ihrer Freundin zu verdanken sein, dass er nicht die chaotische Absteige betrat, als die er Daisys Londoner Wohnung kannte. Hier herrschte geradezu asketische Ordnung, und doch fühlte er sich sofort willkommen, ein einladender, lichter und luftiger Lebensraum mit Weitsicht über die Dächer der Stadt.
»Prächtig habt ihr euch hier eingerichtet«, sagte er anerkennend.
»Danke, nur schade, dass wir die Wohnung so selten
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