Die Probe (German Edition)
ein Stück hauchdünnen Film, gewöhnlicher Haushaltfolie ähnlich, aber von auffällig matter, dunkler Farbe. »Die Schichten sind noch nicht perfekt aufeinander abgestimmt, aber das Ding liefert Strom.« Er wartete mit sichtlichem Stolz auf ihre Reaktion.
»Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Würde ich nie wagen. Ich bin nicht lebensmüde«, grinste er. »Ich bin überzeugt, dass wir bis zur Abreise einige Quadratmeter gutes Material produzieren können, wenn wir eine oder zwei Nachtschichten einlegen. Du musst nur noch ein geeignetes Trägerobjekt finden.«
Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen, und ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass sie keineswegs scherzte: »Wir verpacken unsere Baracke.«
Surrey, England
War wohl doch nicht die beste Idee, die hohe Dosis Koks mit den starken Schlaftabletten zu kompensieren, dachte Francesca, als sie zur Terrasse hinunterstieg. Ihr Kopf war schwer, die Glieder schmerzten, als hätte sie die Nacht auf dem nackten Parkett verbracht. Trotz der Tabletten hatte sie kaum ein Auge zugetan. Sie musste sich am Geländer festhalten, um nicht auf der Stelle einzuknicken und auf den Stufen einzuschlafen. Starker Kaffee würde helfen, am besten direkt in die Vene gespritzt.
Sie hoffte, die erste Tasse zu schaffen, bevor Vidal erschiene – vergeblich. Als sie den Speisesaal betrat, saß er bereits draußen am Tisch und unterhielt sich mit seiner Assistentin. Auch das noch. Sie verspürte große Lust, gleich wieder umzukehren, aber Vidals wachsame Augen hatten sie schon bemerkt. Sie setzte das einnehmendste Lächeln auf, das sie unter den widrigen Umständen zuwege brachte, und bemühte sich, möglichst beschwingt auf die Terrasse zu treten. Gerade rechtzeitig, um die Assistentin sagen zu hören:
»Es ist alles arrangiert, Sir. Sie fliegen um elf. Die Begleitung wartet bereits in Heathrow.« Dann verschwand die geschäftstüchtige Dame mit einem angedeuteten Kopfnicken in ihre Richtung.
»Es ist alles arrangiert, Sir«, äffte sie die Assistentin nach, bevor sie sich zu ihrem Lover hinunter beugte und ihn mit einem ziemlich gewagten Kuss begrüßte. »Was ist denn arrangiert? Verreisen wir?«
»Ich muss für ein paar Tage weg. Geschäfte, die ich nicht aufschieben kann.«
»Dunkle Geschäfte, die mich nicht zu interessieren haben, meinst du?« Sie sagte das leichthin, mit einem ironischen Unterton, aber sie traf einen empfindlichen Nerv. Im Blick, den er ihr zuwarf, lag ebensoviel Kränkung wie Ärger. Gut , dachte sie, er ist angeschossen, Zeit, Klartext zu reden . »Wie in Feusisberg?« Er regte sich nicht, doch in seinen Augen sah sie, wie er erschrak. Kalt erwischt . Einen Augenblick lang schien er nicht zu wissen, wie er reagieren sollte, doch dann zwang er sich zu lächeln und fragte unschuldig:
»Wie soll ich das verstehen, meine Liebe?« Sie verzog keine Miene, blickte ihn unverwandt an, als sie sagte:
»Michael Hogan ist ermordet aufgefunden worden. In seinem Haus in Feusisberg. Hast du das nicht gewusst?« Zu ihrer Überraschung versuchte er gar nicht erst, den Unwissenden zu spielen, sondern antwortete nur trocken:
»Du trauerst doch nicht um diesen Versager?« Es hörte sich zynisch an, etwa wie: »Er hat es nicht anders verdient.« Sie sagte nichts. Ihre Gedanken kreisten nur noch um eine einzige Frage: aussteigen oder nicht? Sie musste sich jetzt entscheiden. Auch wenn er es nicht ausgesprochen hatte, für sie stand fest, dass er für Michaels Tod verantwortlich war. Noch konnte sie ihm und seinen Geschäften den Rücken kehren, aber wollte sie das? Zurück in den langweiligen Durchschnitt, in den unerträglichen Mief stickiger Büros und Sitzungszimmer, sich mit eingebildeten Glatzköpfen herumschlagen? Als wollte er ihr die Antwort auf diese rhetorischen Fragen erleichtern, erhob er sich, stellte sich an die Terrassenbrüstung und sagte mit einer ausschweifenden Handbewegung:
»Das alles hier ist nicht das Erbe reicher Vorfahren, Francesca. Ich habe es mir hart erarbeitet. Das schafft man nicht mit ein paar Buchhaltungstricks, man muss bereit sein, sich die Hände dreckig zu machen, für seine Ziele zu kämpfen, kompromisslos. Meine Geschäfte sind äußerst lukrativ, und äußerst riskant. Ich wollte dich da nicht hineinziehen.« Ich bin schon drin , dachte sie. Laut sagte sie:
»Es ist im Grunde ganz einfach: ich bin voll dabei, oder ich bin weg.« Sie standen sich wie zwei Kampfhähne gegenüber. Keinem entging die geringste Regung des Anderen.
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