Die Probe (German Edition)
Ihr schwebte ein besseres Versteck für die sonderbare Haarlocke vor, doch dazu war etwas Handarbeit erforderlich, die sie sich für später aufhob. Die Probe sollte so gut wie unsichtbar werden.
»Versteckst du dich?«, fragte Renate verwundert, als sie die Tür öffnete.
»Hast du mich gesucht? Warum rufst du nicht an?«, antwortete sie gelassen. »Ich wollte nur ein paar Minuten vor Kichi sicher sein, um ihn nicht anzuschreien.«
»Das kann ich gut verstehen«, lachte Renate. »Ich wollte nur wissen, ob du darüber nachgedacht hast.«
»Ich denke immer nach, meine Liebe. Aber die Antwort ist ja. Eine Luftveränderung täte uns beiden gut. Gib mir die Nummer deines Kontaktes, ich setze mich heute Abend mit ihm in Verbindung.«
Kobe
Nakamura nahm ein Stück Wassermelone aus der Schale und warf es in den Teich. Ein weißer Karpfen von der Gestalt eines kräftigen Männerarms mit rotem Punkt auf dem Kopf schwamm gemütlich an die Oberfläche und schnappte zu. Vidal beobachtete seinen Geschäftspartner von der Terrasse aus. Er wusste, dass er ihn auf keinen Fall stören durfte bei seiner rituellen Handlung am Koi-Teich unter dem schützenden Dach des Bambushains. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, wo sich Nakamuras Schatten aufhielten, die zwei unsichtbaren und unhörbaren Leibwächter, ohne die der Oyabun keinen Schritt machte. Er hatte es glücklicherweise nie selbst erlebt, aber man sagte, dass die beiden im Ernstfall auf ein geheimes Zeichen aus dem Nichts auftauchten und jede Gefahr in Sekundenschnelle beseitigten.
»Musashi-san ist schon von meinem Vater gefüttert worden«, sagte Nakamura, als er aufblickte. Vidal wusste, dass er ihn längst bemerkt hatte. »Kommen Sie Monsieur Vidal, setzen Sie sich.« Er ging über die zierliche rote Brücke zum Teich und nahm Nakamura gegenüber auf der Holzbank Platz.
»Ein prächtiger Fisch, dieser Musashi-san. Er muss schon sehr alt sein.«
»Niemand weiß es genau, aber ich schätze sein Alter auf über achtzig Jahre. Unsere Familie hat immer gut für ihn gesorgt und wird das auch in Zukunft tun. Er kann ohne weiteres doppelt so alt werden.« Vidal schwieg respektvoll und schaute dem greisen Tier nach, bis es ins dunkle Wasser abtauchte, dann sagte er anerkennend:
»Sie haben seine Feinde erfolgreich abgewehrt.« Nakamura freute sich sichtlich über das vieldeutige Kompliment.
»Das ist der Kern unseres Geschäfts, nicht wahr?«, antwortete er lächelnd. »Aber man muss in der Tat vorsichtig sein. Der Wald ist in der Nähe, und manchmal verirrt sich ein Fuchs oder Dachs in den Garten. Die könnten den Fischen gefährlich werden, wenn der Teich nicht von felsigem Ufer umgeben wäre.« Vidal wartete. Der Oyabun hatte ihn sicher nicht hierher bestellt, um über seine Fische zu sprechen. Aber er kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er dieses Treffen nicht ohne Grund am Karpfenteich veranstaltete. Er benutzte gerne Bilder und Symbole, um seine Gedanken und Befehle zu untermalen. Seine Miene hatte sich verfinstert, als er weitersprach: »Fischzüge dürfen wir niemals unseren Feinden überlassen, nicht wahr?«
»Sie hatten bisher stets die größten Fische an der Angel«, antwortete Vidal unsicher. Er wusste immer noch nicht, worauf Nakamuras Bildersprache diesmal zielte.
»Was nützt es, die Beute an der Angel zu haben, wenn sie dennoch entwischt?« Der stechende Blick, den er ihm zuwarf, hätte jeden weniger abgebrühten Mann zum Schwitzen gebracht. »Was in Brasilien geschehen ist, darf sich nicht wiederholen!«, zischte er in wütendem Stakkato. Vidal blieb ruhig. Er nickte bedächtig und entgegnete emotionslos:
»Es wird Yamada-san eine bittere Lehre sein.«
»Er scheint nicht viel gelernt zu haben«, schnaubte Nakamura. Er war ernsthaft gereizt, erregt, und Vidal wusste, dass das gefährlich werden konnte. Er hütete sich, etwas zu sagen, schaute ihn nur fragend an. Nachdem sich Nakamura etwas beruhigt hatte, nannte er den Grund seiner Aufregung: »Man hört, dass sich die UNEP bereits für Saitous Ausbau in Australien interessiert.«
»Das gibt Anlass zur Sorge«, bemerkte Vidal vorsichtig, obwohl er keine Gefahr sehen konnte.
»So ist es. Als Verantwortlicher für unsere Investitionen muss Ihnen sofort klar sein, dass Schnüffler dieser UNO-Organisation nichts Gutes bedeuten für ein solches Großprojekt.«
Er musste sich anstrengen, seine Überraschung zu verbergen. Wenn UNEP bereits einen Inspektor nach Roxby Downs gesandt hatte, war
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