Die Probe (German Edition)
denke, es ist wichtig. Wir glauben, dass dein Großinvestor nicht sauber ist. Du solltest vorsichtig sein.«
»Vidal? Und wer ist wir?«
»Ja, Vidal. Meine Mitarbeiterin in Osaka hat mehr oder weniger zufällig herausgefunden, dass die oberste Führung von Saitou Verbindungen zur japanischen Mafia hat und wahrscheinlich von der Yakuza erpresst wird. Und dein großzügiger Monsieur Vidal ist offenbar ein regelmäßiger Gast im Hause des Paten.« Michael brauchte einige Sekunden, um das zu verdauen. Waren das nur Spekulationen? Er musste Gewissheit haben.
»Woher weiß deine Mitarbeiterin davon?«
»Sie hat gründlich recherchiert, das kannst du mir glauben.«
»Ich habe Mühe, das zu glauben, Charlie. Ich muss selbst mit ihr reden.«
»Geht leider nicht«, antwortete Charlie kurz angebunden. »Sie hat genug am Hals. Sie ist unterwegs nach Australien. Offenbar plant Saitou eine größere Operation down under.« Michael wurde hellhörig.
»Was für eine Operation?«
»Weiß nicht genau. Es geht um einen Ausbau. Also, ich will dich nicht länger bei deinen wichtigen Geschäften aufhalten. Pass einfach auf.«
Nachdem das Gespräch beendet war, fügte Michael einen weiteren Namen zu seinen Notizen hinzu und unterstrich ihn doppelt: Saitou. War es möglich, mit den Titeln dieses Konzerns ein zweites Mal kräftig abzuräumen? Er konnte sich nicht erinnern, irgendetwas über eine Ausweitung von Saitous Aktivitäten in Australien gelesen zu haben. Zur Sicherheit überprüfte er nochmals die Archivmeldungen im Börsensystem. Er fand keinen Hinweis. Ausgezeichnet, es war noch nichts offiziell durchgesickert, und Saitou war seiner Meinung nach unterbewertet. Die Weltzeituhr zeigte 23:25 Uhr für Sydney, 21:25 für Tokio. Er rief zuerst seinen Kollegen in Sydney an, einen Rohstoffhändler, mit dem er schon häufig Geschäfte gemacht hatte. Auch wenn die Börsen in Australien längst geschlossen hatten, war er um diese Zeit bestimmt noch halbwegs nüchtern zu erreichen. Der Kollege hatte tatsächlich von wesentlich erweiterten Schürfrechten in Roxby Downs in der Nähe von Adelaide in Südaustralien gehört. Die Konzession sollte in den nächsten Wochen erteilt werden. Um ganz sicher zu gehen, rief er noch einen Broker und einen Börsenhändler in Japan an. Der Broker war eine Fehlanzeige, er wusste von nichts. Der Händler in Tokio aber bestätigte, was er aus Sydney gehört hatte.
»Bingo!«, rief er laut aus, dass Walter aufschreckte. »Nichts, alles O. K.«, beruhigte er ihn. Er wusste jetzt genau, was zu tun war, das Jagdfieber hatte ihn gepackt. Mit ein paar geübten Mausklicks sammelte er die Informationen, die er für seine Strategie benötigte. Der Chart mit Saitous Kursentwicklung zeigte zwar einige Dellen nach oben und unten, aber der Kurs bewegte sich seit Tagen in einem engen Band um den aktuellen Wert von 850 Yen. Vor dem Debakel in Brasilien notierte Saitou bei 965, der Titel hatte gutes Potenzial nach oben. Sobald die Konzession in Australien erteilt würde, müsste der Kurs einen deutlichen Gewinnsprung machen, gerade in einer Zeit, wo die Kernenergie weltweit eine Renaissance erlebte. Eine sichere Wette aus seiner Sicht, und diesmal konnte er richtig zuschlagen.
Er öffnete das Fenster mit dem Optionsrechner auf seinem Bildschirm, wählte Saitou als Basistitel und begann fieberhaft, ein Szenario nach dem anderen durchzuspielen. Er war so vertieft in seine Arbeit, dass er Walters Frage nach seinen Sandwichwünschen nicht hörte. Kopfschüttelnd trottete der Assistent davon, um irgendetwas Essbares zu organisieren. Nach drei Stunden harter Arbeit hatte Michael die Einzelheiten seiner Aktion festgelegt. Morgen früh, das hieß um ein Uhr nachts, würde er die notwendigen Transaktionen auslösen. Sein Plan sah vor, den größten Teil von Vidals fünfhundert Millionen für den Kauf von Call-Optionen zu verwenden. Damit erwarb er das Recht, Aktien zu einem festgelegten Preis zu kaufen, wenn dieser Kurs überschritten würde. Wie schon bei der letzten Saitou-Aktion, beabsichtigte er natürlich nicht, Titel zu kaufen, sondern er würde sich wieder den Gewinn auszahlen lassen.
Diesmal war er sicher, dass der Kurs nicht wesentlich weiter fallen würde, bevor er zwangsläufig ansteigen musste. Deshalb plante er, nicht einfach relativ teure Call-Optionen zu kaufen, sondern Barrieroptionen. Solche Down-and-out Barriers verfielen wertlos, sobald der Kurs der unterliegenden Aktie unter eine festgelegte Schranke fiel
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