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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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kennenzulernen, da bin ich zuversichtlich«, lächelte er.
    Die eine der Wohnungen auf Schmidts Liste befand sich im Obergeschoss einer neuen Stadtvilla. Das Gebäude lag in einem kleinen Park mit schattenspendenden Bäumen und einem niedlichen Naturteich. 145 Quadratmeter, 1250 Euro Miete. Ein Schnäppchen im Vergleich zu den Preisen in Osaka. Und das Beste war, dass Renate gleich unter ihr in die zweite Wohnung einziehen konnte. Sie verliebte sich sofort in das Plätzchen. Pack deine Koffer , schrieb sie kurzerhand in die SMS an ihre Assistentin.
Blaenavon, Wales
    Lauren legte die Blumen aufs Familiengrab der Hogans. Gelbe Tulpen, wie Ryan sie ihr aus unerfindlichen Gründen hin und wieder geschenkt hatte. Der Anblick seines Namens auf der Granitplatte bereitete ihr Unbehagen, denn nicht sein Gesicht tauchte vor ihrem inneren Auge auf, sondern das des anderen Mannes, der unverhofft, wie aus heiterem Himmel, wieder in ihr Leben getreten war. Rasch verließ sie den Friedhof am Rande von Blaenavon, als hätte sie ein schlechtes Gewissen. Sie eilte an St. Peter’s vorbei, die High Street hinauf in die enge Gasse, wo ihr betagter Onkel Ed wohnte. Nicht einmal als sie am Haus vorbeikam, wo sie aufgewachsen war, verlangsamte sie ihre Schritte.
    Eds struppiger Vorgarten hatte schon bessere Zeiten gesehen. Seine Bohnenstauden wucherten in alle Richtungen und an die Brombeeren im Dickicht der Dornen kamen wohl nur noch zwergwüchsige Vögel und Maden. Trotzdem werkelte ihr Onkel oft tagelang in seinem grünen Paradies. Sie wunderte sich, dass er an diesem warmen Samstag Vormittag nicht zu sehen war. Sie klopfte. Nichts rührte sich, aber aus dem halb offenen Fenster drang das aufgeregte Stakkato eines Sportkommentators. Erst als sie vor dem Fenster stand und winkte, bemerkte Ed sie. Er öffnete die Tür und umarmte sie freudig.
    »Hey, Sonnenschein, schön, dich schon wieder zu sehen.« Er spitzte die Ohren, eilte zum Fernseher und notierte etwas auf der Zeitung, die vor ihm auf dem Couchtisch lag. »Entschuldige, aber ich darf das nicht verpassen.«
    »Hallo Onkel Ed, seit wann interessierst du dich für Pferderennen in England?« In seinem antiken Flimmerkasten lief ein Rennen aus Nottingham. Bemerkenswert für ihren Onkel, der sonst allem Englischen von Herzen abgeneigt war. »Chepstow oder Bangor würde ich noch verstehen, aber Nottingham?« Er schaute sie schuldbewusst an und antwortete kleinlaut:
    »Hab einen Tipp bekommen.«
    »Und, hat er funktioniert?«
    »Weiß noch nicht, darum muss ich aufpassen. Setz dich. Willst du auch eins?« Er deutete auf die Flasche Cambrian Bitter neben der Zeitung. Sie wehrte lachend ab:
    »Danke, damit warte ich noch ein paar Stunden. Aber ich mach mir gerne einen Tee. Bleib ruhig sitzen.« Gebannt und konzentriert widmete er sich wieder dem Geschehen auf dem Bildschirm. Als sie den Tee in der Küche aufgoss, hörte sie plötzlich laute Verwünschungen aus der Stube, dann herrschte Stille. Ed hatte den Fernseher abgeschaltet und die Zeitung zerrissen. Kein sehr hilfreicher Tipp, den ihr Onkel da in der Goldmine bekommen hatte.
    »Ich dachte, du seist längst wieder bei den Schlitzaugen«, brummte er, als sie sich wieder zu ihm setzte. Asiaten waren ihm beinahe so fremd wie Engländer, die seiner Meinung nach Wales als ihre Kolonie betrachteten und nur dazu taugten, den Landpreis in die Höhe zu treiben. Sie wusste, dass er niemanden verletzen wollte mit seiner Bemerkung und antwortete lächelnd:
    »War ich auch, aber es hat sich inzwischen einiges geändert.« Er hörte aufmerksam zu, als sie ihm von ihrem geplanten Umzug nach München erzählte. »Du brauchst die Nase nicht zu rümpfen«, schmunzelte sie. »Der Krieg ist schon ziemlich lange vorbei.«
    »Na ja, wenigstens bist du dann etwas näher und kannst deinen alten Onkel häufiger besuchen.«
    »Mach dir nur keine falschen Hoffnungen. Ich bin eine vielbeschäftigte Frau.«
    »Das habe ich gesehen. Du bist ziemlich schnell wieder verschwunden nach der Beerdigung.« Er blickte sie forschend an und fügte nach kurzem Zögern hinzu: »Hast den armen Charlie ganz schön im Regen stehen lassen.«
    »Was?«, fuhr sie überrascht auf.
    »Komm schon. Mir kannst du nichts vormachen. So wie er dich umgarnt hat, ist er immer noch schwer verknallt in dich.« Sie schüttelte unwillig den Kopf. War so offensichtlich, was zwischen ihr und Charlie vor sich ging, dass es sogar ihrem Onkel nicht verborgen blieb? Mit einem Mal stürzten wieder

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