Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
Vom Netzwerk:
Gewohnheiten der Münchner, obwohl sie technisch auch Bayern sind.« Charlie schaute sie nur mit großen Augen an. Er verstand immer noch nicht. »Bier und Weißwurst kriegt man hier natürlich auch«, fuhr sie schmunzelnd fort, »aber Würzburg ist fränkisches Weinland. Hier isst man eher ein Schäufele und trinkt Würzburger Stein aus dem Bocksbeutel dazu.« Charlie verstand gar nichts mehr.
    »Du wirst schon sehen«, grinste Lauren und hakte sich wie selbstverständlich bei ihm unter. »Komm, gehen wir.« Im Taxi fuhren sie über die Ringstrasse und dem Main entlang in die Altstadt, die man immer noch so nannte, obwohl die britischen Brandbomben in der Nacht des 16. März 1945, kurz vor Kriegsende, kaum ein Haus verschont hatten.
    Über dem Eingang hing ein furchterregender Morgenstern als Wahrzeichen des Weinlokals, der Stachel. Es versprach, ein lauer Sommerabend zu werden, und so führte Renate ihre Gäste ohne Umweg in den Innenhof. Wie der Garten eines verwunschenen Märchenschlosses zwängte sich dieser romantische Ort zwischen die von üppigem Immergrün und Blumengirlanden überwachsenen Mauern. Es war der schönste Platz für ein Essen unter freiem Himmel, den sie sich vorstellen konnte. Der Zauber verfehlte seine Wirkung auch auf ihre Begleiter nicht. Zufrieden lächelnd setzte sie sich mit ihnen an einen der Holztische. Ein perfekter Tag würde perfekt ausklingen, das war ihr wichtig.
    Charlie misstraute Michaels Geldsegen noch immer, aber er kannte Daisy gut genug und wusste, dass sie die Verträge pedantisch unter die Lupe genommen hatte. Sie konnte nicht anders und würde ohnehin nicht zulassen, dass ihre Freundin ins Messer liefe. Man musste sich einfach mit den beiden freuen, so gelöst und beschwingt feierten sie Renates neue Firma, so ausgelassen scherzten sie und neckten sich. Auch wenn sie es noch nicht ausgesprochen hatte, war ihm jetzt klar, dass Daisy ihren Dienst in der Organisation quittieren und bei ihrer Freundin bleiben würde.
    Er musste seine Mitarbeiterin wohl etwas zu lange nachdenklich angesehen haben, denn plötzlich fragte sie verwundert:
    »Was ist los?«
    »Nichts, entschuldige«, wehrte er verlegen ab. »Ich habe mir nur überlegt, dass unsere kleine Feier vielleicht auch eine Art Abschiedsessen ist. Dein Abschied von UNEP, habe ich recht?« Das Lächeln verflog aus ihrem Gesicht. Sie nickte und antwortete mit schuldbewusster Miene:
    »Ich weiß, ich hätte es dir sofort sagen sollen, tut mir leid. Ich habe London heute Morgen angerufen. Das Kündigungsschreiben ist unterwegs.«
    »So etwas habe ich befürchtet. Schade, sehr schade, wir waren ein gutes Team. Aber ich kann dich verstehen, nach all dem, was geschehen ist. Was sagt James dazu?«
    »Er war nicht gerade begeistert, wie du dir vorstellen kannst, aber er muss es wohl akzeptieren.« Sie saß da wie ein begossener Pudel. Die gute Stimmung drohte zu kippen, doch bevor er den Mund aufmachte, sprach sie weiter: »Offenbar habe ich einen schlechten Tag erwischt. Es scheint Probleme zu geben in Norwegen.« Er stutzte.
    »Thorsen? Hat es etwas mit seinem Einsatz zu tun?«
    »Ja, er musste nochmals zurück nach Stavanger. James hat etwas von einem Seebeben mit Methanaustritt erzählt, hab nicht genau hingehört.«
    »Thorsen, Seebeben, Methan?« Charlie schüttelte ungläubig den Kopf. »Warum hast du mir das nicht früher gesagt?« Im Grunde genommen war er es, der seinen Kollegen in diese Lage gebracht hatte. Eigentlich müsste er jetzt vor Norwegens Küste im Einsatz sein. Daisy war richtiggehend zusammengezuckt bei seiner heftigen Reaktion, und er entschuldigte sich: »Nicht deine Schuld, sorry. Aber ich muss wissen, was mit Thorsen los ist.« Er holte sein Telefon hervor, doch Lauren legte sofort ihre Hand darauf und sagte ruhig:
    »Es ist auch nicht deine Schuld. Charlie, du hast Urlaub. Du bist nicht für jedes Problem verantwortlich. Genieße die Zeit mit uns, du hast es verdient.«
    »Richtig, schließlich haben wir etwas zu feiern«, warf Renate ein und schenkte nach. Die Sorge um Thorsens Einsatz ließ ihn nicht mehr los, aber gegen den geballten Optimismus und den bezaubernden Charme der drei Frauen kämpfte er vergeblich an.
    Reichlich beschwipst saßen sie gegen zehn Uhr abends im ICE, der sie in zwei Stunden nach München zurückbringen würde. Lauren döste friedlich an seiner Schulter. Für eine Weile vergaß er Thorsen, und seine Welt war vollkommen in Ordnung.
Zürich
    Sein junger Assistent kontrollierte

Weitere Kostenlose Bücher