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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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bewegte sich nicht.
    »Umsatz plus fünf, Gewinn gehalten«, schnarrte der Lautsprecher.
    Fünf Prozent Umsatzwachstum, das war erwartet worden. Man hatte auch mit einem leichten Anstieg des Gewinns gerechnet. Der Kurs gab nur wenig nach, erholte sich aber sogleich wieder. Die Informationen, die der Kollege übers Telefon weitergab, erschienen beinahe gleichzeitig im Nachrichtenfenster.
    »Spartenergebnisse.«
    Der Bildschirm zeigte die Zahlen der einzelnen Geschäftsbereiche.
    »Danke, ich sehe sie«, sagte er. Der Kurs schwankte weiterhin um 800, zeigte keinen klaren Trend.
    »Roxby Downs zieht Gesuch zurück!«, schrie der Händler in Sydney plötzlich. Wörter wie Hammerschläge. Mit einem Mal spürte Michael seine pochenden Schläfen wieder und ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Kopf, noch bevor die Ziffern auf dem Bildschirm und die Kommentare aus Tokio bestätigten, was er eben von seinem australischen Kollegen gehört hatte. Die Mine wurde nicht erweitert. Aus dem erwarteten Kursgewinn wurde nichts. Schlimmer noch, Saitou begann in den Keller zu fallen.
    790 – 775 – 755 – 750! Weniger als drei Minuten dauerte es, bis die Aktie die Barrier von 750 erreichte. Wenn sich der Kurs nicht wieder erholte bis Börsenschluss, verfielen seine Optionen endgültig, wertlos.
    »Das ist alles, danke, Guys«, sagte er müde und kappte die Telefonverbindungen. Es war vorbei, er hatte verloren. Er spürte es, auch wenn erst der Schlusspreis am Ende des Handelstages sein Schicksal besiegelte. Hier war nichts mehr auszurichten, er konnte sich ebenso gut aufs Ohr legen bis zum TSE Handelsschluss morgens um acht. Mit bleischweren Knochen wankte er wie im Traum hinaus. Bereits im Halbschlaf, erwischte er die kleine Stufe zur Galerie nicht richtig, torkelte und fiel krachend auf den Parkettboden. Sein Pech war, dass er sich dabei an der kupferroten Mingvase aus dem siebzehnten Jahrhundert festhielt, die klirrend zu Bruch ging. Er hatte das gute Stück vor acht Jahren für satte 320'000 Franken erworben.
    »Eine halbe Kiste mehr zum Teufel, was soll’s – scheiß drauf!«, schimpfte er und schleppte sich zum Sofa.
    Das Telefon weckte ihn. Schläfrig tastete er nach dem Apparat. Es dauerte eine Weile, bis er es auf dem Boden, halb versteckt unter dem Sofa fand.
    »Warum dauert das so lange?«, begrüßte ihn Francescas aufgebrachte Stimme. Sein Blick fiel auf den Scherbenhaufen, und mit einem Mal stürzte das ganze Elend seiner ausweglosen Situation wieder auf ihn ein. Er mochte jetzt mit niemandem reden. Für Smalltalk hatte er keine Zeit. Er musste seine Gedanken sammeln, so schnell wie möglich entscheiden, was zu tun war.
    »Keine Zeit, ruf dich später zurück«, wollte er sie kurzerhand abfertigen, aber sie schäumte vor Wut:
    »Spinnst du? Es ist dringend, Idiot! Vidal erwartet seinen Bericht heute Abend, schon vergessen?« Daran hatte er tatsächlich nicht mehr gedacht, doch was spielte das noch für eine Rolle? Die Stunde, die er für eine weitere in eindrucksvolle Grafiken verpackte Lüge aufwendete, würde ihm Zeit verschaffen, seine Rückzugsstrategie vorzubereiten. Er ließ sich daher nicht provozieren, sagte nur: »O. K.«, und schaltete sein Telefon aus.
    Ein kurzer Besuch im Handelsraum bestätigte, was er ohnehin schon wusste: Saitou schloss bei 745. 358 von Vidals 500 Millionen Dollar hatten sich in nichts aufgelöst. Halb neun. Er wischte die weit verstreuten Scherben in der Galerie notdürftig mit den Schuhen zusammen und beeilte sich, das Haus zu verlassen, bevor sein Assistent Walter und die Buchhalterin aufkreuzten. Er hatte nicht die geringste Lust auf Erklärungen, brauchte Ruhe, um seine rasenden Gedanken zu ordnen. Er fuhr zum See hinunter, parkte vor dem Opernhaus und schlenderte zur Uferpromenade. Zu dieser frühen Stunde waren nur wenige Spaziergänger unterwegs. Hie und da saßen ein paar Schüler auf den Bänken oder am Boden, Colaflasche oder Red Bull Dose neben sich, und ließen die Beine über die Kaimauer baumeln. Das Grau des Himmels passte zu seiner Stimmung, aber es war angenehm warm und windstill. Ein Sommertag wie jeder andere kündigte sich an, außer dass die Welt, wie er sie kannte, untergegangen war. Er setzte sich auf einen Granitblock unter einer Platane, schaute den Enten und Schwänen zu, wie sie stumm ihre Kreise zogen und immer wieder, auf Futter hoffend, zu ihm aufblickten. Gierig sog er die frische Morgenluft in die Nase, versuchte, seinen Kopf zu leeren und erst einmal

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